Entwicklung eines NATO-Partnerschaftsprogramms für den Nahen und Mittleren Osten
Auf früheren Erfolgen aufbauen
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Chris Donnelly untersucht, inwiefern die Erfahrungen der NATO mit der Partnerschaft für den Frieden im Nahen und Mittleren Osten zur Entwicklung eines vergleichbaren Programms beitragen könnten.
Vor zehn Jahren leitete die NATO zweibahnbrechende Partnerschaftsprogramme ein, nämlich diePartnerschaft für den Frieden (PfP) für die Staaten Mittel- undOsteuropas und den Mittelmeerdialog für die Staaten desMittelmeerraums im weiteren Sinne. Beide Programme müssenüberarbeitet werden, damit man Veränderungen im euro-atlantischenSicherheitsumfeld (z.B. der NATO-Erweiterung) sowie den neuenHerausforderungen Rechnung tragen kann, mit denen das Bündnis heutekonfrontiert ist. Im Hinblick auf eine Reform des Mittelmeerdialogsund dessen mögliche Ausweitung auf weitere Staaten des Nahen undMittleren Ostens können die Erfahrungen mit der PfP eine nützlicheHilfe sein.
Im Gegensatz zur Partnerschaft für denFrieden hat sich der Mittelmeerdialog nicht als besonders großerErfolg erwiesen. Bei der Stabilisierung der Region bzw. bei derUnterstützung und Förderung der Entwicklung der beteiligten Staatenhat er keine bedeutende Rolle gespielt. Dies lässt sich auf mehrereFaktoren zurückführen. Dazu zählen ein zu geringer Umfang derinvestierten zeitlichen, personellen und finanziellen Ressourcen,ein tief verwurzeltes Misstrauen gegenüber der NATO, über diezahlreiche Staaten der Region zu wenig wissen, das Fehlenderjenigen Dialog- und Kooperationsmechanismen, auf denen derErfolg der NATO und der Partnerschaft für den Frieden beruht, sowiedie Unfähigkeit, allgemeinere Fragen der regionalen Sicherheitgetrennt vom israelisch-palästinensischen Konflikt zubehandeln.
Während das wichtigste Sicherheitsanliegender NATO vor zehn Jahren in der Stabilisierung und UmgestaltungMittel- und Osteuropas bestand, geht es heute um die Bewältigungvon Problemen, die in den Staaten des Nahen und Mittleren Ostensihren Ursprung haben oder diese wie Transitstaaten durchlaufen.Wenn die NATO den Sicherheitsanliegen ihrer Mitglieder gerechtwerden will, dann muss sie ihre Aufmerksamkeit nicht mehr aufMittel- und Osteuropa konzentrieren, sondern sie in den nächstenMonaten und Jahren auf diese Region lenken, und derMittelmeerdialog wird sich auch entsprechend weiterentwickelnmüssen.
Stellt die internationale Staatengemeinschaftfür die Stabilisierung Afghanistans ausreichende Ressourcen zurVerfügung, so könnte die Rolle der NATO im Rahmen der ISAF(International Security Assistance Force) als Lösungsmodell fürIrak dienen und im Laufe der Zeit sogar zur einer Lösung desisraelisch-palästinensischen Konflikts beitragen. Das DilemmaIsraels besteht darin, dass sich seine Bevölkerung umso unsicherergefühlt hat, je mehr seine militärische Stärke zugenommen hat. Hierbraucht man einen „ehrlichen Makler“, dem beide Seiten vertrauenund der zur Aushandlung wie auch zur Umsetzung eines wirklichdurchdachten Sicherheitspakets beitragen kann. Die VereinigtenStaaten können dies ebenso wenig wie Europa, denn sie gelten beidenicht als unparteiisch. Die NATO ist wahrscheinlich, auch wenn dieszur Zeit als sehr weit hergeholt erscheinen mag, die einzigeInstitution, die dieses Problem in den nächsten Jahren in den Griffbekommen kann.
Natürlich handelt es sich bei diesenpotentiellen Entwicklungen ausnahmslos um ein „falls“, und dazu umein „falls“ mit einem großen Fragezeichen. Ein Rückblick auf dieletzten fünf Jahre (ganz zu schweigen von den letzten 15 Jahren)zeigt jedoch, dass sich die NATO sehr viel schnellerweiterentwickelt hat, als man vorhergesehen hatte. Das Tempo desWeltgeschehens nimmt zu, und die NATO ist trotz ihrer Mängeldiejenige internationale Organisation, welche die größteFlexibilität bewiesen und gezeigt hat, dass sie sich im Hinblickauf die Bewältigung der Anforderungen des neuen Sicherheitsumfeldsweiterentwickeln kann. Dies wird wohl auch in Zukunft der Fallsein, und somit wird die Entwicklung der NATO wahrscheinlich auchmit weiteren Überraschungen verbunden sein.
In dem Maße wie sich das Bündnis immer weitervon seiner während des Kalten Krieges geltenden Rolle einerpassiven Verteidigungsorganisation wegbewegt und sich in Richtungauf die proaktive Sicherheitsorganisation entwickelt, die derheutige „heiße Frieden“ erfordert, wird es für die NATO-Mitgliederauch immer deutlicher erkennbar, dass ihre Sicherheit nur kollektivgewährleistet werden kann. Die Kluft zwischen „NATO-Mitgliedern“und „Partnerstaaten“ muss rasch überwunden werden. Die Sicherheitder NATO-Staaten lässt sich nur in enger Zusammenarbeit mit denPartnerstaaten in Mittel- und Osteuropa und im Nahen und MittlerenOsten im weiteren Sinne sowie durch die Zusammenarbeit miteinandergewährleisten. Dieser Umstand ist heute mehr als alle anderenFaktoren der Motor für die Weiterentwicklung der NATO und bietetzudem den größten Anreiz dazu, den Partnerschaftsprogrammen mehrSubstanz zu verleihen und sie besser in die wichtigstenAufgabengebiete des Bündnisses zu integrieren.
Wenn sich die Partnerschaftsmechanismen derNATO mit Blick auf die neuen Herausforderungen imSicherheitsbereich weiterentwickeln sollen, so wäre es nur logisch,dass sich diese Entwicklung an denjenigen Kennzeichen der NATOorientiert, auf die der Erfolg des Bündnisses zurückgeht. Manch einSpaßvogel hat erklärt, „NATO“ sei die Abkürzung für „No Action,Talk Only“. Doch es ist ja gerade die Fähigkeit des Bündnisses, einDialogforum zur Verfügung zu stellen, in dessen Rahmen dieMitglieder ihre Probleme ausdiskutieren können, anstattgegeneinander zu Felde zu ziehen, die den Erfolg der NATOausgemacht hat. Dies hat die Partnerschaft für den Friedendenjenigen Staaten ermöglicht, die dem Bündnis beitreten wollten,und dies ist, was dem Mittelmeerdialog bisher trotz seines Namensnicht gelungen ist. Derartige Mechanismen für die verschiedenenSituationen zu konzipieren, mit denen Mittel- und Osteuropa sowieder Nahe und Mittlere Osten im weiteren Sinne nun konfrontiertsind, ist die entscheidende Aufgabe sowohl der Partnerschaft fürden Frieden als auch des Mittelmeerdialogs.
Die formellen wie auch die informellenNATO-Mechanismen für die Schaffung einer gemeinsamen Verteidigungs-und Sicherheitskultur begründen nicht nur die traditionelleDaseinsberechtigung des Bündnisses – die Gewährleistung derkollektiven Verteidigung –, sondern hatten als Exportgüter inMittel- und Osteuropa auch einen bedeutenden Einfluss auf denDemokratisierungsprozess insgesamt. Man weiß jetzt, dass diedemokratische Kontrolle von Streit- und Sicherheitskräften,zivil-militärische Beziehungen und die Reform desVerteidigungssektors weitaus wichtigere Elemente der demokratischenund wirtschaftlichen Umgestaltung eines Landes darstellen, alszunächst angenommen wurde. Diese Fragen sind für viele StaatenOsteuropas und des Balkans immer noch eine Herausforderung, abersie haben heute auch eine große Bedeutung für zahlreiche Staatendes Nahen und Mittleren Ostens. Die Weiterentwicklung der genanntenMechanismen und deren Verbreitung in neuen Teilen der Welt wird einwesentliches Element eines neuen Partnerschaftsprogramms der NATOdarstellen.
Die Sicherheit der NATO-Staaten lässt sichnur in enger Zusammenarbeit mit den Partnerstaaten in Mittel- undOsteuropa und im Nahen und Mittleren Osten im weiteren Sinne sowiedurch die Zusammenarbeit miteinandergewährleisten.
Um Sicherheitspartnerschaften im weiterenMittelmeerraum sowie im Nahen und Mittleren Osten aufzubauen, musssich die NATO nun mehr Kenntnisse über diesen Teil der Weltaneignen und die institutionellen Mechanismen für ein dortigesEngagement verstärken. So wie die NATO im vorigen Jahrhundert Endeder 80er und Anfang der 90er Jahre mehr institutionelleSachkompetenz in der Sowjetunion und dann in deren Nachfolgestaatenerwerben musste, hat das Bündnis heute die gleiche Aufgabe imHinblick auf die Staaten Nordafrikas und des Nahen und MittlerenOstens. Die Partnerschaft für den Frieden ist ein Beispiel für dieArt von Rahmenstruktur, die zur Abstützung verschiedener Missionenerforderlich ist, und zwar in erster Linie insofern, als sie einsehr flexibler Mechanismus ist. Ein entsprechendes Programm für denMittelmeerraum und den Nahen und Mittleren Osten im weiteren Sinnemuss einigen regionalen Kennzeichen Rechnung tragen, von deneneinige identisch mit denjenigen sind, die Anfang der 90er Jahre inMittel- und Osteuropa relevant waren, während einige andere ganzanderer Art sind.
Beispielsweise herrscht in der Bevölkerungund sogar in manchen Regierungen der Staaten der Region nahezuvöllige Unwissenheit über den wahren Charakter der NATO. Folglichist ein langfristiges, breit angelegtes Informations- undKommunikationsprogramm erforderlich. Dies setzt das aktiveEngagement nicht nur von Regierungsorganen, sondern auch vonnichtstaatlichen Organisationen voraus, wie dies vor zehn Jahrenoder noch früher in mittel- und osteuropäischen Staaten der Fallwar. Während mittel- und osteuropäische Staaten in derPartnerschaft für den Frieden in erster Linie ein Instrument sahen,mit dem sie der NATO Informationen und Engagement abverlangen unddas Bündnis dazu veranlassen konnten, seinen Einfluss in Mittel-und Osteuropa geltend zu machen, wollen die Staaten Nordafrikassowie des Nahen und Mittleren Ostens jedoch hauptsächlicherreichen, dass ihre Stimme gehört wird und dass sie Einfluss aufdie Beschlussfassung der Bündnisstaaten erhalten. Das ist auch gutso, denn wir müssen zuhören und verstehen, bevor wir antworten undeinen politischen Kurs formulieren können. Unser Einfluss in derRegion wird sich direkt proportional zu unserer Bereitschaft zumHinhören entwickeln.
Insgesamt gesehen ist der zivile Sektor derRegion weniger weit entwickelt als in den meisten europäischenStaaten, was vor 15 Jahren auch auf Mittel- und Osteuropa zutraf.Dadurch wird die Einbindung nichtstaatlicher Organisationen undUniversitäten wichtig – sowohl als Mittel zur Vermittlung derAnsichten der NATO als auch als Beitrag zur Demokratisierung. Inmanchen Fällen, z.B. in Algerien, besteht ein dringender Bedarf anErfahrungen und Kenntnissen im Hinblick auf den Aufbauzivil-militärischer Beziehungen und die demokratische Kontrolle vonStreitkräften.
Während viele mittel- und osteuropäischeStaaten von Anfang an der NATO beitreten wollten und diePartnerschaft für den Frieden ihnen dafür einen Mechanismus bot,kann man dies nicht von den Staaten Nordafrikas und des Nahen undMittleren Ostens sagen. Wenn die Öffentlichkeit dieser Länder eineneue Initiative als eine Wiederbelebung eines militärischenBündnisses, als Werkzeug für westliche Druckausübung oder Kontrolleoder – schlimmstenfalls – als Mittel betrachtet, Israel die baldigeNATO-Mitgliedschaft zu ermöglichen, dann wird man keineFortschritte machen können.
Aus diesem Grund sollte ein neuerMechanismus, der den Mittelmeerdialog ersetzt, keine förmlichenDokumente umfassen, die unterzeichnet werden müssen – vor allem,wenn sie eine Liste gemeinsamer Prinzipien und Werte enthalten.Zunächst einmal braucht man nicht mehr als eine Reihe von Foren füreinen regelmäßigen politischen undmilitärischen/sicherheitsrelevanten Dialog in Verbindung mit einemdichten Netz von Kooperationsangeboten verschiedener Ebenen, diesich auf das bewährte PfP-Prinzip der länderspezifischenDifferenzierung stützen. Diese Angebote und Optionen müssen nichtals Konkurrenz, sondern als Ergänzung zu denen der EuropäischenUnion verstanden werden und widerspiegeln, was die beteiligtenStaaten selbst wünschen und brauchen. Werden sie als Diktat vonoben verstanden, so wird man sie höflich ignorieren.
Parallel zu einem Programm, dasauf den Informationssektor und diplomatisches Engagementausgerichtet ist, gibt es immer mehr Möglichkeiten fürvertrauensbildende Maßnahmen im militärischen Bereich. Hier könnenbilaterale Beziehungen zwischen NATO-Mitgliedern und mittel- undosteuropäischen Partnerstaaten einerseits sowie Staaten desMittelmeerraums und des Nahen und Mittleren Ostens andererseitseinander fördern und so zur Entwicklung multilateraler Kontaktebeitragen. Wir wissen allerdings aus Erfahrung, dass die NATO denAnliegen der Region mehr Aufmerksamkeit widmen muss. ImMittelmeerraum operierende Streitkräfteverbände der NATO, dienatürlich aus anderen Erwägungen zusammengestellt worden sind,können ungewollt von nordafrikanischen Staaten auch als Bedrohungaufgefasst werden.
Neben den vertrauensbildendenMaßnahmen im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich, die für denMittelmeerraum bzw. den Nahen und Mittleren Osten im weiteren Sinnevon ebenso großem Wert sein werden wie für Mittel- und Osteuropa,besteht ein weitaus größerer Spielraum hinsichtlich der Einführungeines förmlichen Mechanismus für den Informationsaustausch. Nunkommt es darauf an, dass ein neuer Partnerschafts- undKooperationsprozess sich zu einer Kontaktzentrale entwickelt, überdie jeder herausfinden kann, was in der Region vor sich geht. Ameffizientesten lässt sich dies vielleicht mit einem elektronischenSystem erreichen. Es gibt zwar keinen Ersatz für regelmäßigeZusammenkünfte und direkte Gespräche, aber mit einem umfangreichenEinsatz von Videokonferenzen kann man den Kommunikationsumfangsicherlich mit geringem Kostenaufwand erhöhen.
Da „weiche“ Sicherheitsfragen inden meisten Staaten Nordafrikas und des Nahen und Mittleren Ostensweniger heikel sind als die „harten“ militärischen, werden ersterezunächst am besten für ein Engagement der NATO geeignet sein. DasWissenschaftsprogramm der NATO stellt hier einen idealenMechanismus dar, um das Eis zu brechen. Mit Hilfe desWissenschaftsprogramms und anderer Instrumente der „PublicDiplomacy“ kann die NATO in der Region Interesse wecken undDebatten über die neuen Sicherheitsfragen in Gang bringen, die einegemeinsame Bedrohung darstellen. Im Rahmen des Wissenschafts- undInformationsprogramms werden Vertreter der NATO diesen Regionenhäufigere Besuche abstatten können und auch mehr über sie erfahren.Wie Anfang der 90er Jahre im Fall Mittel- und Osteuropas können wirdavon ausgehen, dass die NATO-Initiativen in Verbindung mit diesenProgrammen ein bilaterales Engagement seitens wissenschaftlicherEinrichtungen der Bündnisstaaten fördern werden. Dies wird in derRegion rasch zu dem dringend erforderlichen Aufbau vonForschergruppen führen, mit denen man Kooperationsprogrammedurchführen kann. Nichtstaatliche Organisationen und Universitätenin den NATO-Staaten sind sich derzeit durchaus der Notwendigkeitbewusst, ihre Aufmerksamkeit auf diesen Teil der Welt zu lenken,den viele vernachlässigt haben. Eine relativ bescheidene Initiativeder NATO kann hier wie zuvor in Mittel- und Osteuropa zu einerwahren Flut von Projekten führen.
Ein wichtiges, aber häufigunterschätztes Element ist in diesem Zusammenhang die Arbeit, dievon der Parlamentarischen Versammlung der NATO im Verhältnis zu denTeilnehmerstaaten der Region geleistet wird. Obwohl dieParlamentarische Versammlung eine von der NATO getrennteInstitution darstellt, bedeuten ihre Programme eine nützlicheUnterstützung der Ziele des Bündnisses und ergänzen dessendiplomatische und militärische Aktivitäten. Die Versammlung kannhäufig Vorstöße unternehmen, wenn der NATO-Apparat Schwierigkeitenhat, und Parlamentarier finden es oft leichter als Regierungen, zuGesprächen zusammenzukommen. Ein gutes Beispiel dafür ist derparlamentarische Dialog, der derzeit trotz regionaler Spannungen inder Kaukasusregion stattfindet. Ein ähnlicher Dialog könntevielleicht auch dazu beitragen, die Beziehungen zwischen einigennordafrikanischen Staaten zu verbessern.
Das Richtige treffen
Sollen Partnerschaft undZusammenarbeit in diesem Gebiet zu einem Erfolg werden, so kommt esin erster Linie darauf an, die Region – formell oder informell – zuunterteilen und in subregionalen Einheiten zu arbeiten. Vor allemmuss der israelisch-palästinensische Konflikt von der Frage derBeziehungen der NATO zu den nordafrikanischen Staaten getrenntwerden. Für viele Staaten der Region gilt, dass die Beziehungen zuden jeweiligen Nachbarstaaten durch ernste Spannungengekennzeichnet sind. Daher wird sich die Zusammenarbeit mit derNATO wahrscheinlich zunächst einmal in einem bilateralen Rahmenentwickeln und erst später in einem subregionalen kollektiven Forummöglich sein.
Darüber hinaus ist zuberücksichtigen, dass die neuen Sicherheitsprobleme einschließlichder zentralen Frage des Terrorismus nun sehr viel mehr Staatenbetreffen als die bisherigen PfP-Mitglieder oder Teilnehmerstaatendes Mittelmeerdialogs und z.B. auch Pakistan und Indonesienbedrohen. Die neuen Mechanismen sollten die Möglichkeit bieten,zumindest einen Teil des Dialogprozesses auch anderen Staaten mitähnlichen Problemen zugänglich zu machen. Schließlich setzt dieRolle der NATO in Afghanistan politische Kontakte mit weitentfernten Staaten voraus. Ein unkomplizierter und sofort wirksamerSchritt in diese Richtung bestünde beispielsweise darin, Vertreterndieser Staaten die Teilnahme an Arbeitstagungen desNATO-Wissenschaftsprogramms zu ermöglichen. Derzeit können zusolchen Aktivitäten nur Angehörige von PfP-Staaten oder von Staatendes Mittelmeerdialogs eingeladen werden.
Auf einem Gebiet ist es vonbesonderer Bedeutung, die richtigen Lehren aus der Geschichte derPfP zu ziehen. Die PfP-Mitgliedschaft wurde ursprünglich allenStaaten Mittel- und Osteuropas und der ehemaligen Sowjetunionangeboten, ohne dass bestimmte Bedingungen gestellt wurden. Späterwurden für Staaten wie Serbien und Montenegro, die in derPfP-Mitgliedschaft einen Schritt in Richtung auf dieWiedereingliederung in die westliche Staatengemeinschaft sehen, dieDemokratisierung und ein funktionsfähiges Regierungssystem zurBedingung gemacht. Man kann sich zwar über den Wert dieser Maßnahmestreiten, aber eins ist sicher. Es ist von entscheidenderBedeutung, dass ein neues Partnerschafts- und Kooperationsprogrammfür Nordafrika und den Nahen und Mittleren Osten nicht mit einerderartigen Bedingung verbunden wird. Die Staaten der Region werdenverschiedene Wege zur Demokratie und Modernisierung einschlagen undmit unterschiedlicher Geschwindigkeit vorankommen. Sie werden sichgegen alles wehren, was ihnen als herablassende Haltung oder alsKulturimperialismus erscheint. Heute ist die kulturelle Kluftzwischen Europa und Nordamerika einerseits und Nordafrika und demNahen und Mittleren Osten andererseits größer als der Grabenzwischen dem Osten und dem Westen am Ende des Kalten Krieges.Bemühungen um eine Überwindung dieser Kluft werden mehr Erfolghaben, wenn die Angebote zur Zusammenarbeit durch Vorsicht und Taktgekennzeichnet sind.
Vertreter von Staaten des Nahen undMittleren Ostens sind es nämlich leid, an Tagungen teilzunehmen,bei denen alle Gespräche damit beginnen, dass die arabische Weltmit der Gefahr des Terrorismus gleichgesetzt wird, obwohl derTerrorismus für diese Staaten eine ebenso große Gefahr darstelltwie für Europa und Nordamerika und obwohl die diesbezüglicheZusammenarbeit von größter Bedeutung ist. Bei solchen Gesprächenwerden wir mehr Fortschritte machen, wenn wir uns mit unserenÄußerungen zurückhalten.
Unter den Aspekten derPartnerschaft für den Frieden hatte die Einrichtung offiziellerVertretungen in der NATO-Zentrale zweifellos die größtenAuswirkungen. Die Bereitstellung von Büroräumen für Vertreter derPfP-Staaten und die an diese Staaten gerichtete Aufforderung zurEntsendung ernst zu nehmender ziviler und militärischerDelegationen in die NATO-Zentrale führte zu einer Dynamik desWandels, die sich sofort nachhaltig auf alle Staaten auswirkte, diediese Chance ergriffen. Vor allem diese Maßnahme wird also mehr alsalle anderen Schritte dazu beitragen, mit den Staaten desMittelmeerraums und des Nahen und Mittleren Ostens einen echtenDialog und eine effektive Zusammenarbeit zu entwickeln.
Sobald derartige Vertretungenfür die beteiligten Staaten eingerichtet worden sind, können dievielfältigen Aktivitäten, die sich im Rahmen der Partnerschaft fürden Frieden herausgebildet haben, auch für diese Regionen inAngriff genommen werden. Nichts ist ein besserer Wegbereiter fürKontakte als der Aufbau einer Gruppe nationaler Vertreter, die überdie NATO Bescheid wissen und ihr Wissen allmählich an ihrejeweilige Hauptstadt weiterleiten können. Zu allen Programmen, diePfP-Staaten offen stehen, erhalten diese Staaten dann unmittelbarenZugang. Die diplomatische Arbeit wird effizienter, und vor allembedeutet die Präsenz einer Vertretung angemessenen Umfangs, dassdie informellen Kommunikationskanäle geöffnet werden. Ein Großteilder eigentlichen NATO-Arbeit auf dem Gebiet der Beilegung vonKonflikten und der Beseitigung von Spannungen wird in persönlichenBegegnungen von Diplomaten und Offizieren der mittleren Ebenegeleistet, die in der Bar, im Restaurant oder in den Fluren derZentrale zusammenkommen. So beruht die Einzigartigkeit der NATOwirklich auf der Tatsache, dass alle nationalen Delegationen undVertretungen, die militärischen und die zivilen, unter einem Dachzusammengefasst werden. Die dadurch geförderte Atmosphäre derGleichgesinntheit ermöglicht ein Aufblühen echter Diplomatie. Inden Genuss dieses Privilegs müssen wir auch unsere Kollegen aus denStaaten des Nahen und Mittleren Ostens sowie des Mittelmeerraumskommen lassen.
In dem Maße wie man die PfPselbst überarbeitet und aktualisiert, wird nahezu unweigerlich auchdie Zusammenarbeit zwischen ihr und den neuen Mechanismen für denDialog und die Zusammenarbeit mit Nordafrika sowie mit dem Nahenund Mittleren Osten zunehmen. Die beste Lösung wäre dahervielleicht ein gemeinsames Rahmenprogramm, das alle Aspekte derPartnerschaft abdeckt, sowohl die PfP als auch denMittelmeerdialog, und das eine stärkere Differenzierung nachRegionen und verschiedenen Bestandteilen ermöglicht: eine„Partnerschaft für Zusammenarbeit“, die Mittel- und Osteuropa, denMittelmeerraum im weiteren Sinne und auch den Nahen und MittlerenOsten umfasst.
Chris Donnelly ist als Wissenschaftler inführender Position an der britischen Verteidigungsakademie inShrivenham tätig und war von 1989 bis 2003 Sonderberater fürMittel- und Osteuropa der vier in diesem Zeitraum amtierendenNATO-Generalsekretäre.
* Die Türkei erkennt die Republik Mazedonien unter ihrem verfassungsmäßigen Namen an