Erklärung zu Bosnien und Herzegowina

Treffen des Nordatlantikrats auf Ebene der Aussenminister

  • Last updated 05-Nov-2008 03:36

Seitdem die Friedensvereinbarung vor einem Jahr in Dayton ausgehandelt und in Paris unterzeichnet wurde, ist in Bosnien und Herzegowina substantieller Fortschritt erzielt worden. Nach vier durch tragischen Konflikt und grosses Leid gekennzeichneten Jahren beginnt der Frieden Wurzeln zu fassen. Soldaten sind demobilisiert worden, nationale und regionale Wahlen wurden abgehalten, gemeinsame Institutionen sind im Aufbau begriffen, Behinderungen der Bewegungsfreiheit werden allmählich beseitigt, und der Wiederaufbau ist angelaufen. Es bleibt jedoch noch viel zu tun, um nach den Kriegsjahren einen dauerhaften Frieden zu schaffen. Dies erfordert das uneingeschränkte Engagement aller führenden Persönlichkeiten in Bosnien und Herzegowina und seinen beiden Entitäten.

Wir sprechen der von der NATO geführten Internationalen Friedenstruppe IFOR unseren tiefsten Dank für die erfolgreiche Umsetzung der militärischen Aspekte der Friedensvereinbarung aus. IFOR hat 33 NATO- und Nicht-NATO-Länder in einer beispiellosen Friedenskoalition zusammengeführt, die das Land stabilisiert und die Voraussetzungen für den politischen und wirtschaftlichen Wiederaufbau geschaffen hat. Wir zollen der Professionalität, dem Pflichtbewusstsein und der Tapferkeit des gesamten Personals von IFOR unseren Respekt und sprechen den Familien derjenigen unsere tiefe Anteilnahme aus, die für den Frieden ihr Leben gegeben oder Verletzungen davongetragen haben.

Das Mandat der Internationalen Friedenstruppe IFOR endet am 20. Dezember 1996. Ihr Auftrag ist erfüllt, aber eine internationale militärische Präsenz ist weiterhin notwendig, um die Stabilität zu schaffen, die zur Konsolidierung des Friedens erforderlich ist. Die NATO ist daher bereit, auf der Grundlage einer Resolution des VN-Sicherheitsrats nach Kapitel VII der VN-Charta eine Stabilisierungstruppe (SFOR), die IFOR ersetzen wird, aufzustellen und zu führen. SFOR wird zu einem sicheren Umfeld beitragen, das zur Konsolidierung und Stabilisierung des Friedens erforderlich ist, indem sie durch Abschreckung eine Wiederaufnahme von Feindseligkeiten verhindert oder diesen erforderlichenfalls Einhalt gebietet. Sie wird ferner dafür sorgen, dass Zeit zur Verfügung steht, damit die politische Aussöhnung und der wirtschaftliche Wiederaufbau in Gang kommen können. Obgleich diese neue Truppe nur etwa die halbe Stärke von IFOR haben und ihr Auftrag begrenzter sein wird, gelten für sie weiter dieselbe einheitliche Kommandostruktur, die robusten Einsatzregeln, die Durchsetzungsautorität und das Truppenstatut, die Grundlage für den Erfolg von IFOR gewesen sind. Wie IFOR wird die Stabilisierungstruppe SFOR ihre Aufträge entschlossen, aber unparteiisch durchführen. SFOR wird ebenfalls bereitstehen, um die VN-Übergangsverwaltung in Ostslawonien, wo VN-Truppen einen substantiellen Beitrag zur Wiederherstellung des Friedens in der Region leisten, im Notfall zu unterstützen.

Die NATO plant einen 18-monatigen Einsatz von SFOR, der nach sechs und zwölf Monaten einer Überprüfung unterzogen wird, um die Truppe schrittweise auf ein Abschreckungsdispositiv zu reduzieren und schliesslich abzuziehen. Die Vorbereitungen für die Entsendung von SFOR sind auf gutem Wege; wir haben heute die vom Ständigen Rat vorläufig gebilligte Operationsplanung bestätigt, die vom Ständigen Rat nach der erforderlichen Autorisierung durch den VN-Sicherheitsrat endgültig gebilligt werden wird.

Die Vorbereitungen der NATO für SFOR sind in enger Zusammenarbeit mit Russland und den anderen Nicht-NATO-Ländern, die zur Zeit Kräfte für IFOR bereitstellen, durchgeführt worden. Wir freuen uns, dass alle 17 dieser Länder wie auch weitere neue Truppensteller bereit sind, sich an SFOR zu beteiligen. Unsere Zusammenarbeit in Bosnien hat die Beziehungen zwischen den Bündnispartnern, Russland und unseren anderen Partnern verstärkt und Europa in eine neue Phase der Sicherheitskooperation geführt.

SFOR wird zur Konsolidierung des Friedens beitragen, aber der Schwerpunkt der internationalen Bemühungen muss zunehmend auf die zivilen Aspekte der Friedensvereinbarung verlagert werden. Wir zollen den Leistungen des Hohen Repräsentanten und aller mit der zivilen Umsetzung befassten Organisationen unsere Anerkennung. Ihre zukünftige Rolle wird von entscheidender Bedeutung sein. SFOR wird ebenso wie IFOR in enger Abstimmung mit dem Hohen Repräsentanten und den wichtigeren internationalen Organisationen und Behörden zusammenarbeiten. Sie wird im Rahmen ihrer Fähigkeiten von Fall zu Fall selektive Unterstützung leisten, um ihnen bei der Erfüllung ihrer wichtigen Aufgaben zu helfen. Sie wird ferner den sicheren Rahmen für die Kommunalwahlen im Jahre 1997 schaffen und sich darauf einstellen, der OSZE gegebenenfalls bei der Vorbereitung und Durchführung dieser Wahlen weitere Unterstützung zu leisten. Wir bekräftigen uneingeschränkt die in Paris für den zweijährigen zivilen Konsolidierungsplan vereinbarten Leitprinzipien sowie den in London angenommenen Aktionsplan für 1997.

Die internationale Gemeinschaft hat sich zu einem breiten Spektrum von Unterstützungs- und Beratungsmassnahmen verpflichtet. Wir unterstreichen noch einmal, dass es die Verantwortung der Menschen und der Führung in Bosnien und Herzegowina sowie in den Nachbarländern ist, die Aussöhnung zu fördern und einen dauerhaften Frieden herzustellen. Wir appellieren an die Vertragsparteien, die Friedensvereinbarung in vollem Umfang zu erfüllen. Wir erwarten, dass sie sich uneingeschränkt engagieren, um zügig Fortschritte in Bereichen wie zivile Bewegungsfreiheit, ungehinderte Rückkehr von Flüchtlingen und Vertriebenen, Umstrukturierung und Umschulung örtlicher Polizeikräfte sowie bei der vollständigen Einhaltung der Rüstungskontrollvereinbarungen zu erzielen. In diesem Zusammenhang fordern wir die Parteien mit Nachdruck auf, die Bestimmungen der Rüstungskontrollvereinbarungen uneingeschränkt und gewissenhaft umzusetzen und ihre Bestände bis zum 1. November 1997 auf die vereinbarten Höchstgrenzen zu reduzieren. Wir rufen die Parteien nachdrücklich dazu auf, entsprechend ihren in der Friedensvereinbarung übernommenen Zusicherungen uneingeschränkt den Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) zu unterstützen und mit ihm zusammenarbeiten und alle Personen an den Strafgerichtshof zu überstellen, die wegen Kriegsverbrechen angeklagt sind. Wir erwarten, dass die Parteien in vollem Umfang mit der Internationalen Polizeitruppe (IPTF) zusammenarbeiten.

Die Sicherung eines dauerhaften Friedens und der Stabilität im ehemaligen Jugoslawien setzt voraus, dass die Demokratie nicht nur in Bosnien und Herzegowina, sondern auch in den benachbarten Ländern wächst und gedeiht.

Wir beklagen zutiefst die Entscheidung der serbischen Regierung zur Annullierung von Ergebnissen der Kommunalwahlen vom 17. November und appellieren an die serbische Regierung, den demokratischen Willen des Volkes zu respektieren und diese Entscheidung rückgängig zu machen. Wir drücken unsere Bestürzung darüber aus, dass die serbischen Behörden die Appelle der internationalen Gemeinschaft zur Achtung international anerkannter demokratischer Prinzipien ignoriert haben.

Wir würdigen die Einhaltung der Gewaltfreiheit durch die Opposition und rufen die Regierung dazu auf, jede Gewaltanwendung gegen friedliche Demonstranten zu vermeiden.