Erklärung der Verteidigungsminister zur Lage auf dem Balkan

Treffen auf Ebene der Verteidigungsminister

  • Last updated 03-Nov-2008 19:37

  1. Wir bekräftigen das starke Engagement der NATO für Sicherheit, Stabilität, Frieden, Demokratie und Achtung der Menschenrechte auf dem Balkan sowie die Entschlossenheit des Bündnisses, jeder Gewalt entgegenzutreten, ungeachtet ethnischer, politischer oder krimineller Beweggründe. Die Allianz wird dieses Ziel energisch weiterverfolgen, in erster Linie durch die NATO-geführten Friedenseinsätze in Bosnien und Herzegowina und im Kosovo sowie durch die Task Force Fox in der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien ª.

  2. Wir erneuern unsere Bereitschaft zur Unterstützung der territorialen Integrität und Souveränität aller Balkanstaaten. Wir unterstreichen unsere Entschlossenheit, regionale Aussöhnung und Zusammenarbeit durch vertrauensbildende Maßnahmen, eine dauerhafte Lösung der Flüchtlings- und Vertriebenenfrage sowie Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (IstGhJ) zu fördern. Wir würdigen die Anstrengungen der Länder in der Region zur Schaffung regionaler Sicherheit durch engere Zusammenarbeit.

  3. Wir sprechen den Männern und Frauen von SFOR, KFOR sowie der Task Force Harvest und Task Force Fox für ihre herausragenden Anstrengungen zur Förderung von Frieden und Stabilität unsere Anerkennung aus. Wir danken ihnen für die Opfer, die sie auf sich nehmen, besonders denen, die ernsthafte Verletzungen davongetragen haben. Wir sprechen den Familien derjenigen unsere tiefempfundene Anteilnahme aus, die ihr Leben verloren haben. Den Partnern der NATO und anderen Ländern danken wir für ihre substantiellen Beiträge zu unserer gemeinsamen Anstrengung.

  4. Die NATO übt auf dem Balkan zur Zeit die Führung über etwa 60.000 Soldaten aus 19 NATO-Staaten und 20 nicht zur NATO gehörenden Ländern aus. Die NATO-geführte Präsenz ist entscheidend für den Beitrag zu Stabilität und politischem Fortschritt und verläuft weiterhin erfolgreich. Während der vergangenen sechs Jahre haben sich die Herausforderungen und Bedrohungen von Grund auf verändert, und in den Einsatzgebieten stellen sich in zunehmendem Maße Probleme gleicher Art. Vor diesem Hintergrund sind wir der Ansicht, dass für spezielle Aspekte der Balkanoperationen, einschließlich der Rückkehr von Flüchtlingen, der Grenzsicherheit und Bekämpfung des organisierten Verbrechens, des Extremismus und Terrorismus, der Rahmen für einen stärkeren Regionalansatz entwickelt werden kann. Es besteht ferner Raum zur Rationalisierung der Balkanoperationen, mit dem Hauptziel, die Effizienz zu steigern und bedeutende Einsparungen von Ressourcen zu ermöglichen. Wir haben vereinbart, die nächsten Halbjahresüberprüfungen von KFOR und SFOR auf der Grundlage einer Analyse der laufenden Operationen im gesamten Einsatzgebiet durchführen zu lassen und alle Möglichkeiten zur Rationalisierung und Entwicklung eines stärkeren Regionalansatzes für die NATO-geführte Präsenz zu prüfen. Durch unsere Gesamtanstrengungen sollten sich selbst tragender Frieden und Demokratie in der Region schneller Wirklichkeit werden, so dass internationale Truppen nicht länger erforderlich sind.

  5. Wir haben den Stand der NATO-geführten Operation im Kosovo geprüft. Wir treten weiter uneingeschränkt dafür ein, unserer Rolle zur Verwirklichung der Zielsetzungen der internationalen Gemeinschaft nach Maßgabe der Resolution 1244 des VN-Sicherheitsrats gerecht zu werden. Wir bekräftigen das Engagement der KFOR-Truppe zur Unterstützung bei der Rückkehr von Flüchtlingen und Vertriebenen, einschließlich der Kosovo-Serben und anderer Minderheiten, und würdigen die koordinierten Anstrengungen des dafür eingesetzten Gemeinsamen Ausschusses. Die Zusammenarbeit zwischen KFOR und allen Ebenen der VN-Mission zur Übergangsverwaltung des Kosovo (UNMIK) ist weiterhin ausgezeichnet. Wir sprechen der OSZE und UNMIK unsere Anerkennung dafür aus, dass sie im November 2001, mit Unterstützung durch KFOR, die Parlamentswahlen für ganz Kosovo erfolgreich durchgeführt haben.

  6. Die KFOR-Truppe wird auch in Zukunft die UNMIK-Polizei sowie die Kosovo-Polizei uneingeschränkt unterstützen, und wir begrüßen den gerade eingeleiteten Prozess, durch den die Verantwortung für öffentliche Sicherheit auf die entsprechenden zivilen Stellen übertragen wird, sobald die Voraussetzungen dafür gegeben sind. Wir sind ermutigt durch die wachsenden Beiträge durch die multiethnische Polizei des Kosovo, die damit begonnen hat, die Verantwortung für tägliche Polizeiaufgaben zu übernehmen. Wir begrüßen die Schritte, die der Sonderbeauftragte des VN-Generalsekretärs zur Festigung von Recht und Gesetz ergreift, zum Beispiel durch die Aufstellung einer kriminalpolizeilichen Ermittlungseinheit und durch Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus, zur Kontrolle von Grenzübertritten und zur Eingrenzung des unerlaubten Waffenbesitzes.

  7. Die Aufstellung des Kosovo-Schutzkorps, mit der Zielvorgabe, sich zu einer voll leistungsfähigen Zivilschutzorganisation zu entwickeln, die zum Wohle aller Bewohner des Kosovo arbeitet, geht weiter. Wir begrüßen das Programm zur Ausbildung des Kosovoschutzkorps, um im Notfall zur Kampfmittelbeseitigung eingesetzt werden zu können. Wir nehmen zur Kenntnis, dass das Kosovoschutzkorps im allgemeinen die vorgegebenen Bestimmungen einhält, aber trotzdem fordern wir die Angehörigen des Korps auf, sich von jeder extremistischen oder kriminellen Handlung zu distanzieren. Wir bestehen auf strikte Einhaltung des Verhaltenskodex sowie der Disziplinarordnung für das Korps. Die Frage der Überführung weiterer 2.000 Mann des Kosovoschutzkorps von der aktiven Verwendung in den Reservedienst ist ebenfalls eine dringend zu lösende Frage.

  8. KFOR setzt seine robusten Maßnahmen zur Festigung der Sicherheit auf der Kosovo-Seite der Grenze zur ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien im Rahmen der Operation Eagle fort. Die Truppe verfolgt im Rahmen ihrer Mittel und Möglichkeiten auch eine Reihe von Initiativen zur engeren Abstimmung mit dem Verteidigungs- und dem Innenministerium in Skopje, um die militärische Wirksamkeit der Grenzkontrollen und Abriegelungsoperationen zu erweitern und stimmt dies auch mit den albanischen Behörden ab.

  9. Wir haben die Gesamtstärke und -strukturen von KFOR überprüft und sind zu der Schlussfolgerung gelangt, dass sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt unverändert bleiben sollten, mit Ausnahme der weiteren Ablösung schwerer Einsatzmittel durch Einheiten, die für Operationen im Rahmen der inneren Sicherheit besser geeignet sind. Wir haben den Ständigen Vertretern die Weisung erteilt, eine weitere Überprüfung der Rollen und Aufgaben von KFOR rechtzeitig vor unserem Frühjahrstreffen durchzuführen. Es ist unser Ziel, ein Höchstmaß an Flexibilität in Bezug auf Streitkräfte und ihren rationellen Einsatz, auch durch eine Überprüfung der KFOR-Strukturen, zu erreichen.

  10. Wir haben die zivilen und militärischen Fortschritte in Bosnien und Herzegowina einer Prüfung unterzogen. Die SFOR-Truppe wird auf der Grundlage ihres bisherigen Erfolgs in Bosnien und Herzegowina auch in Zukunft für ein sicheres Umfeld Sorge tragen und sich weiter engagieren, im Rahmen ihrer Mittel und Möglichkeiten die Arbeit internationaler Organisationen bei der zivilen Umsetzung zu unterstützen. In diesem Kontext misst die Allianz der Notwendigkeit große Bedeutung bei, den weiteren Aufbau ziviler Institutionen und der örtlichen Polizei zu beschleunigen, damit diese die ihnen rechtmäßig zufallenden Aufgaben der öffentlichen Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit in Bosnien und Herzegowina wahrnehmen können. Wir erkennen die Notwendigkeit, die Fähigkeiten, das Ansehen, die Ausbildung und die Ausstattung der Polizei in Bosnien und Herzegowina zu verbessern, um zivilen Unruhen Herr werden zu können, ebenso wie die weiter bestehende Notwendigkeit der engeren Abstimmung zwischen SFOR, der internationalen Polizeitruppe IPTF und der örtlichen Polizei. Wir nehmen zur Kenntnis, dass das IPTF-Mandat Ende 2002 ausläuft und begrüßen Anstrengungen, dringend Kräfte zur Weiterführung des Mandats zu identifizieren. Wir begrüßen die Initiative durch das Büro des Hohen Repräsentanten, die Präsenz der internationalen Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina zu straffen und erwarten die Umsetzung dieser Maßnahme als einen weiteren Schritt zur Förderung der zivilen Umsetzung der Vereinbarung von Dayton.

  11. Die Billigung einer Verteidigungspolitik für Bosnien und Herzegowina durch die Dreierpräsidentschaft war ein wichtiger Schritt, und wir nehmen den von der Präsidentschaft geäußerten Wunsch zur Kenntnis, sich der Partnerschaft für den Frieden anzuschließen. Wir begrüßen die laufende Arbeit zur Entwicklung einer Sicherheitspolitik für Bosnien und Herzegowina. Wir appellieren an die Präsidentschaft, auf diesen positiven Schritten aufzubauen und Fortschritte in der Verteidigungsreform beschleunigt voranzubringen, besonders die Reduzierung und Umstrukturierung der Streitkräfte, und zwar über den Ständigen Ausschuss für Militärischen Angelegenheiten. Wir würdigen die Arbeiten von SFOR, diesem Ausschuss bei der Umstrukturierung und beim Reformprozess zu helfen, und diese Arbeiten sollten den Schwerpunkt für das NATO-Engagement bei den Streitkräften in Bosnien und Herzegowina bilden.

  12. Wir bekräftigen unsere uneingeschränkte Bereitschaft zur Unterstützung des internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien (IStGhJ), und besonders seine Maßnahmen zur Ergreifung wegen Kriegsverbrechen angeklagter Personen. Es ist wichtig, dass alle Angeklagten ergriffen und vor Gericht gestellt werden, besonders Radovan Karadzic und Ratko Mladic. Wir werden unsere Bemühungen fortsetzen, Kriegsverbrecher an die Gerichtsbarkeit zu überstellen. Wir begrüßen jüngste Beispiele für die Zusammenarbeit der Föderation mit dem IStGhJ und fordern alle Behörden in der Region eindringlich auf, ihre diesbezüglichen Verpflichtungen und Auflagen aus der Friedensvereinbarung von Dayton zu erfüllen.

  13. Wir haben die Gesamtstärke und die Strukturen der SFOR-Truppe überprüft und sind zu der Folgerung gelangt, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Veränderungen vorgenommen werden sollten. Wir haben die vollständige Bereitstellung der multinationalen Spezialkräfte in Übereinstimmung mit der vereinbarten Bedarfsanmeldung gefordert. Davon ausgehend, dass die Entwicklungen vor Ort weiter voranschreiten und dementsprechend Zuständigkeiten für die Unterstützung der zivilen Umsetzung auf andere Organisationen übergehen, haben wir den Militärbehörden der NATO die Weisung erteilt, ein Streitkräfte-Übergangskonzept - einschließlich wichtiger Vorgaben - zu erarbeiten und im Frühjahr Optionen für die Streitkräftestruktur vorzulegen, die ein Wiederaufflammen der Feindseligkeiten ausschließen und im Rahmen der Mittel und Möglichkeiten immer noch dazu beitragen, ein sicheres Umfeld durch eine niedrigere Präsenz in Bosnien und Herzegowina zu gewährleisten.

  14. Die erfolgreichen Operationen Essential Harvest und Amber Fox sind Beweis für das Eintreten der NATO für die Stabilität und territoriale Integrität der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien, im Zusammenwirken mit anderen internationalen Organisationen, besonders der OSZE und der EU. Wir bekräftigen die Entscheidung, als Antwort auf ein Ersuchen durch Präsident Trajkowski das Mandat von Task Force Fox um weitere drei Monate bis zum 26. März 2002 zu verlängern. Wir fordern alle Beteiligten mit Nachdruck auf, die Vereinbarung von Ohrid uneingeschränkt zu implementieren und, weiter eng mit der internationalen Gemeinschaft zusammenzuarbeiten, auch in der Frage der Rückverlegung von Sicherheitskräften in sensitive Gebiete und durch die Umsetzung einer Amnestie. Wir fordern Extremisten aller Parteien eindringlich auf, der Gewaltanwendung zu entsagen. Wir unterstützen die Rolle des NATO-Kooperations- und Koordinationszentrums sowie den strukturierteren Ansatz zur NATO-Präsenz im Lande, einschließlich der engeren Zusammenarbeit mit nationalen Unterstützungsstellen. Wir nehmen mit Dank die weiteren Anstrengungen durch Mitglieder der Allianz und Partnerstaaten zur Kenntnis, die bilateral geeignete Hilfe leisten.

  15. Wir danken der albanischen Regierung für ihre konstruktive Haltung während der jüngsten Krise in der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien, die nicht zuletzt durch den positiven Einfluss der Verbindungszone (West) in Albanien im Rahmen von KFOR gefördert wurde.

  16. Wir begrüßen die Verbesserung in unseren Beziehungen zur Bundesrepublik Jugoslawien und ihre konstruktiven Maßnahmen zur Unterstützung der Umsetzung der allgemeinen Rahmenvereinbarung für den Frieden in Bosnien und Herzegowina und der Resolution 1244 des VN-Sicherheitsrats für Kosovo. Wir appellieren an die Behörden in Belgrad, ihre Zusammenarbeit mit dem IStGhJ weiter zu entwickeln. Wir nehmen mit Zufriedenheit zur Kenntnis, dass die Behörden in der BRJ Kosovo-Serben zur Teilnahme an den Wahlen im Kosovo am 17. November ermutigt haben und begrüßen die Unterzeichnung des gemeinsamen BRJ-UNMIK-Dokuments. Wir erwarten die weitere Zusammenarbeit durch die demokratische Regierung der BRJ bei der Lösung der Probleme im Kosovo, wie zum Beispiel in Mitrovica, in der Transparenz ihrer Verbindungen zur Republika Srpska und weitere Maßnahmen, um wegen Kriegsverbrechen angeklagte Personen vor Gericht zu bringen. Wir bekräftigen unsere Bereitschaft zur Unterstützung eines demokratischen Montenegro als Teil einer demokratischen BRJ.

  17. Wir stellen fest, dass die Lage in Südserbien relativ ruhig und stabil ist. Wir fordern alle Parteien mit Nachdruck auf, weiter auf eine friedliche Lösung aller bestehenden Schwierigkeiten hinzuarbeiten. Wir bestärken die ethnischen Albaner darin, weiterhin der Gewalt zu entsagen. Alle Parteien sollten die multiethnische Polizei uneingeschränkt unterstützen und Gelegenheiten zur Integration in örtliche administrative und politische Strukturen wahrnehmen, einschließlich der Teilnahme an örtlichen Wahlen. Die BRJ-Behörden sollten ihren Plan für eine friedliche Lösung des Problems weiter umsetzen. Wir erwarten eine weitere und zügige Implementierung der vertrauensbildenden Maßnahmen nach dem Covic-Plan. Wir erneuern unsere Zielsetzung, die Sicherheitszonen auf dem Boden und in der Luft aufzuheben.