NATO-Gipfelerklärung zum Kosovo
- Die Krise im Kosovo stellt eine grundlegende Herausforderung der Werte dar, für die die NATO seit ihrer Gründung eintritt: Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit. Sie ist Höhepunkt einer gezielten Politik der Unterdrückung, der ethnischen Säuberung und der Gewalt durch das Regime in Belgrad unter der Herrschaft von Präsident Milosevic. Wir werden nicht hinnehmen, daß diese Terrorkampagne erfolgreich ist. Die NATO ist entschlossen, sich durchzusetzen.
- Die Militäraktion der NATO gegen die Bundesrepublik Jugoslawien fördert die politischen Ziele der internationalen Gemeinschaft, die in jüngsten Erklärungen durch den Generalsekretär der Vereinten Nationen und die Europäische Union bekräftigt wurden: ein friedliches, multiethnisches und demokratisches Kosovo, in dem alle Menschen in Sicherheit leben und die weltweit geltenden Menschenrechte und Freiheiten gleichermaßen genießen können.
- Unsere Militäraktionen richten sich nicht gegen die Serben, sondern gegen die Politik des Regimes in Belgrad, das wiederholt alle Anstrengungen zunichte gemacht hat, um diese Krise friedlich beizulegen. Präsident Milosevic muß:
- eine verifizierbare Beendigung aller Militäraktionen und das sofortige Ende von Gewalt und Unterdrückung im Kosovo sicherstellen;
- seine militärischen, polizeilichen und paramilitärischen Kräfte aus dem Kosovo abziehen;
- der Stationierung einer internationalen Militärpräsenz im Kosovo zustimmen;
- der vorbehaltlosen und sicheren Rückkehr aller Flüchtlinge und Vertriebenen sowie dem ungehinderten Zugang humanitärer Hilfsorganisationen zu diesen Menschen zustimmen; und
- die glaubhafte Garantie für seine Bereitschaft bieten, auf eine politische Rahmenvereinbarung auf der Grundlage der Vereinbarungen von Rambouillet hinzuarbeiten.
- Zu diesen Bedingungen kann es keinen Kompromiß geben. Solange Belgrad den legitimen Forderungen der internationalen Gemeinschaft nicht nachkommt und weiter unermeßliches Leid verursacht, werden die Luftschläge der Allianz gegen die jugoslawische Kriegsmaschinerie fortgeführt. Wir machen Präsident Milosevic und die Führung in Belgrad für die Sicherheit aller Bewohner des Kosovo verantwortlich. Wir werden unser Versprechen gegenüber den Menschen im Kosovo erfüllen, daß sie nach Hause zurückkehren und in Frieden und Sicherheit leben können.
- Wir intensivieren zur Zeit die Militäraktionen der NATO, um den Druck auf Belgrad zu erhöhen. Die Regierungen von Bündnispartnern stellen zur Zeit zusätzliche Maßnahmen bereit, um den Druck auf das Belgrader Regime weiter zu steigern. Hierzu gehört die intensivierte Umsetzung von Wirtschaftssanktionen sowie ein Embargo auf Erdölprodukte, eine Maßnahme, zu der wir die führende Rolle der EU begrüßen. Wir haben unsere Verteidigungsminister angewiesen, Mittel und Wege zu untersuchen, damit die NATO zum Stopp der Lieferung von Kriegsgerät beitragen kann, auch durch maritime Operationen, unterBerücksichtigung der möglichen Konsequenzen für Montenegro.
- Die NATO ist bereit, ihre Luftschläge einzustellen, sobald Belgrad die vorgenannten Bedingungen unwiderruflich akzeptiert und nachweislich damit begonnen hat, seine Kräfte aus dem Kosovo nach Maßgabe eines genauen und zügigen Zeitplans abzuziehen. Dies könnte nach Vorliegen einer Resolution des VN-Sicherheitsrats erfolgen, die wir anstreben und die den Abzug serbischer Kräfte sowie die Entmilitarisierung des Kosovo zur Auflage macht und die Dislozierung einer internationalen Truppe vorsieht, um die zügige Rückkehr aller Flüchtlinge und Vertriebenen sowie die Einrichtung einer internationalen Übergangsverwaltung für das Kosovo zu gewährleisten, unter der seine Bewohner weitgehende Autonomie innerhalb der Bundesrepublik Jugoslawien genießen können. Die NATO bleibt bereit, den Kern einer solchen internationalen Truppe zu stellen. Sie würde multinational zusammengesetzt sein, mit Beiträgen aus Nicht-NATO-Staaten.
- Rußland trägt eine besondere Verantwortung in den Vereinten Nationen und spielt eine wichtige Rolle in der Suche nach einer Lösung des Kosovo-Konflikts. Solch eine Lösung muß auf den vorgenannten Bedingungen der Internationalen Gemeinschaft basieren. Die bisherigen Angebote von Präsident Milosevic werden dem nicht gerecht. Wir wollen konstruktiv mit Rußland im Geiste der Grundakte zusammenarbeiten
- Der von langer Hand geplante, zügellose und anhaltende Angriff durch jugoslawische Streitkräfte, Polizei- und paramilitärische Kräfte auf Bewohner des Kosovo und die Unterdrückung anderer Minderheiten in der Bundesrepublik Jugoslawien verschlimmern die ohnehin schon massive humanitäre Katastrophe. Dies droht die angrenzende Region zu destabilisieren.
- Die NATO, ihre Mitglieder und ihre Partner haben auf den humanitären Notfall reagiert und intensivieren ihre Einsätze für die Flüchtlinge und zur humanitären Hilfeleistung in engem Zusammenwirken mit UNHCR, bei der auf diesem Gebiet die Hauptverantwortung liegt, und mit anderen relevanten Organisationen. Wir werden unsere Hilfeleistung so lange wie erforderlich fortführen. Die NATO-Streitkräfte leisten einen bedeutenden Beitrag zu dieser Aufgabe.
- Wir sprechen den Männern und Frauen der NATO-Streitkräfte unsere Anerkennung aus, durch deren Mut und Pflichtbewußtsein der Erfolg unserer militärischen und humanitären Einsätze sichergestellt wird.
- Greueltaten gegen die Menschen im Kosovo durch die Streitkräfte, Polizei und paramilitärischen Kräften der Bundesrepublik Jugoslawien stellen ein flagrante Verletzung des internationalen Rechts dar. Unsere Regierungen werden mit dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) zusammenarbeiten, um die Ermittlung gegen jede Person, auch auf höchster Ebene, zu unterstützen, die für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantwortlich ist. Die NATO wird ICTY in ihren Anstrengungen unterstützen, um die sachdienlichen Informationen sicherzustellen. Es kann keinen dauerhaften Frieden ohne Gerechtigkeit geben.
- Wir würdigen und begrüßen die mutige Unterstützung, die Staaten in der Region für unsere Anstrengungen im Kosovo leisten. Die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien* und Albanien haben eine besonders wichtige Rolle gespielt, nicht zuletzt durch die Aufnahme vieler hunderttausend Flüchtlinge aus dem Kosovo. Die Staaten in der Region tragen gewaltige wirtschaftliche und soziale Lasten aufgrund des gegenwärtigen Konflikts.
- Wir werden nicht hinnehmen, daß das Belgrader Regime die Sicherheit seiner Nachbarn bedroht. Wir werden auf jede Herausforderung dieser Art durch Belgrad gegenüber seinen Nachbarn aufgrund der Präsenz von NATO-Streitkräften oder ihrer Aktivitäten auf ihrem Hoheitsgebiet während dieser Krise reagieren.
- Wir bekräftigen unser Eintreten für die territoriale Integrität und Souveränität aller Länder der Region.
- Wir erneuern unsere tatkräftige Unterstützung der demokratisch gewählten Regierung Montenegros. Jeder Schachzug durch Belgrad, die Regierung von Präsident Djukanovic zu untergraben, wird ernsthafte Konsequenzen haben. Kräfte der Bundesrepublik Jugoslawien haben die entmilitarisierte Zone von Prevlaka unverzüglich zu verlassen.
- Das Ziel eines freien, gedeihlichen, offenen und wirtschaftlich integrierten Südosteuropas kann erst uneingeschränkt sichergestellt werden, wenn die Bundesrepublik Jugoslawien den Weg zur Demokratie einschlägt. Daher sagen wir unsere Unterstützung für die Zielsetzung einer demokratischen Bundesrepublik Jugoslawien zu, die die Rechte aller Minderheiten schützt, auch in der Wojwodina und im Sandjak, und wir wollen auf einen solchen Wandel durch und über den gegenwärtigen Konflikt hinaus hinarbeiten.
- Wir wollen die Stabilität in Südosteuropa zu einem vorrangigen Ziel auf unserer transatlantischen Agenda machen. Unsere Regierungen werden ihre Zusammenarbeit über die NATO, die OSZE und für diejenigen von uns, die ihr angehören, über die Europäische Union, beschleunigen, um die Nationen Südosteuropas dabei zu unterstützen, eine bessere Zukunft für ihre Region zu gestalten - eine Zukunft auf der Grundlage von Demokratie, Gerechtigkeit, wirtschaftlicher Integration und Sicherheitszusammenarbeit.