Kommuniqué

Treffen des Nordatlantikrats auf Ebene der Außenminister<br />am 8.12.2005 in Brüssel

  • Last updated 04-Nov-2008 01:28

  1. Die NATO ist die Grundlage für unsere kollektive Verteidigung. Sie verkörpert die existenziell wichtige Partnerschaft zwischen Europa und Nordamerika und ist das entscheidende Forum für transatlantische Konsultationen über die Sicherheitsherausforderungen, mit denen wir zu Beginn des 21. Jahrhunderts konfrontiert sind. Unser Bündnis beruht auf den Grundsätzen der Demokratie, der Freiheit der Person und der Rechtsstaatlichkeit, wie sie im Washingtoner Vertrag verankert sind und hält sich getreu an die Zweckbestimmungen und Prinzipien der Charta der Vereinten Nationen. Der erweiterte politische Dialog ist Schlüsselelement zur Begegnung der Herausforderungen, die heute eine Bedrohung für die Bündnismitglieder darstellen. Die NATO hat eine Reform eingeleitet und modernisiert ihre militärischen Einsatzfähigkeiten, um sich neuen operativen Forderungen stellen zu können; durch ihre Partnerschaften fördert sie Stabilität und gemeinsame Werte und baut ihre Zusammenarbeit mit anderen Organisationen weiter aus.
  2. Auf unserem heutigen Treffen erörterten wir politische und operative Aspekte der laufenden NATO-Operationen und -Missionen, die dazu beitragen, den Frieden zu wahren bzw. wiederherzustellen und wir prüften die Entwicklungen auf dem westlichen Balkan und im Nahen Osten. Wir erörterten Mittel und Wege, um sicherzustellen, dass die NATO auf die Einsatzfähigkeiten zurückgreifen kann, die erforderlich sind, um auf gemeinsame Bedrohungen und Herausforderungen reagieren zu können, wo auch immer sie herkommen. Die NATO-Reaktionskräfte (NATO Response Force - NRF) dienen als treibende Kraft, um Verbesserungen der militärischen Einsatzfähigkeiten des Bündnisses zielgerichtet zu fördern. Wir erteilten außerdem Weisung für die weiteren Arbeiten im Vorfeld des NATO-Gipfeltreffens in Riga im November nächsten Jahres, auf dem unsere Staats- und Regierungschefs den Stand der laufenden politischen und militärischen Transformation des Bündnisses prüfen und den weiteren Kurs abstecken werden.
  3. Wir sind dem weiteren Erfolg der unter VN-Mandat eingesetzten und von der NATO geführten internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan (ISAF) in allen Teilaspekten verpflichtet und sind heute übereingekommen, die NATO-Unterstützung für Frieden und Sicherheit in Afghanistan auf eine neue Stufe anzuheben. Wir haben den Operationsplan gebilligt, der die weitere Ausdehnung von ISAF ermöglicht. Regionale Wiederaufbauteams stehen im Schwerpunkt der NATO-Anstrengung und werden durch militärische Kräfte unterstützt, die in der Lage sind, Sicherheitsbedrohungen dort zu begegnen, wo ISAF zum Einsatz kommt, und sie werden durch flexible, robuste Reservekräfte weiter verstärkt, wenn die Lage vor Ort dies erfordert. Entsprechend ihrem Operationsplan werden die ISAF-Kräfte:
    • der afghanischen Regierung dabei helfen, ihre Autorität weiter zu festigen;
    • Stabilisierungs- und Sicherheitseinsätze in ihrem Zuständigkeitsbereich durchführen, in Abstimmung mit afghanischen Sicherheitskräften;
    • die nationalen Streitkräfte Afghanistans anleiten und unterstützen, um ihre Einsatzfähigkeit sowie ihren Aktionsradius zu erhöhen;
    • Programme der afghanischen Regierung unterstützen, um illegal bewaffnete Gruppen zu entwaffnen;
    • den Betrieb und die Sicherheit des Flughafens Kabul aufrechterhalten;
    • die afghanische Polizei bei speziellen Ausbildungsvorhaben (Nischen-Ausbildung) und bei ihrem Zusammenwirken mit den afghanischen Streitkräften unterstützen;
    • die afghanische Regierung in Fragen der Strategie zur Grenzsicherheit beraten und unterstützen;
    • die Anstrengungen der afghanischen Regierung in der Drogenbekämpfung unterstützen; und
    • bei anderen Schlüsselelementen zur Reform des Sicherheitssektors behilflich sein, in enger Zusammenarbeit mit den G8-Führungsnationen.
    • Zusätzlich zu den von der NATO vereinbarten ISAF-Grundsätzen für das Festhalten von Personen, die weiterhin im Einklang mit dem internationalen Recht stehen, begrüßen wir Initiativen von Bündnismitgliedern, durch die den afghanischen Behörden Unterstützung bei der Umsetzung internationaler Standards für das Festhalten von Gefangenen geleistet wird.
  4. Entsprechend der Bitte Präsident Karzais, eine umfassende und nachhaltige Beziehung zur NATO zu entwickeln, sind wir übereingekommen, als Ergänzung zu unserer operativen Präsenz in enger Absprache mit den afghanischen Behörden ein Kooperationsprogramm für Afghanistan zusammenzustellen, mit der Zielsetzung, uns über die Kernelemente dieses Programms bis zur Londoner Afghanistan-Konferenz im nächsten Monat zu verständigen. Es wird auf Aktivitäten ausgerichtet, die den afghanischen Behörden in der Frage der Verteidigungsreform, im Aufbau der Verteidigungsinstitution sowie bei militärischen Aspekten der Sicherheitssektorreform helfen; dazu wird auf speziell ausgewählte Instrumente der Partnerschaft für den Frieden sowie andere Aktivitäten zurückgegriffen, die bedarfsgerecht auf die spezifischen Belange Afghanistans zugeschnitten sind. Auf dem Erfolg der jüngsten Parlamentswahlen und dem Abschluss des Bonn-Prozesses aufbauend, werden wir der afghanischen Regierung weiter tatkräftig Unterstützung leisten. Die NATO wird auf der Londoner Afghanistan-Konferenz im kommenden Monat eine aktive Rolle spielen, und wir bleiben engagiert, um mit der afghanischen Regierung und anderen internationalen Organisationen gemeinsam darauf hinzuarbeiten, ein friedliches, stabiles und demokratisches Afghanistan aufzubauen.
  5. Wir unterstützen uneingeschränkt die Verhandlungen unter der Leitung des Sonderbeauftragten der Vereinten Nationen, Martti Ahtisaari, über den zukünftigen Status des Kosovo und appellieren an alle Seiten, diese Gespräche konstruktiv anzugehen. Gleichlaufend dazu müssen die Gemeinschaften im Kosovo und die provisorischen Einrichtungen der Selbstverwaltung weiter auf Fortschritte hinarbeiten, um die international vorgegebenen Standards zu erfüllen. Die NATO wird eine robuste Militärpräsenz im Kosovo aufrechterhalten und sich politisch weiterhin engagieren, unter anderem durch die Mitarbeit in der erweiterten Kontaktgruppe.
  6. Wir begrüßen die Annahme der Verfassung und freuen uns auf die Zusammenarbeit mit der neuen irakischen Regierung nach den Parlamentswahlen Ende des Monats. Wir engagieren uns weiterhin geschlossen für die Unterstützung der Menschen im Irak, für Stabilität, demokratische Entwicklung, Einheit und territoriale Integrität der Republik Irak, in Übereinstimmung mit den einschlägigen Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen. Die jüngst mit Unterstützung der NATO erfolgte Indienstnahme der irakischen Führungsakademie in Ar-Rustamiyah ist sichtbares Zeichen unseres Engagements, ebenso wie die Beiträge, die NATO-Mitgliedsländer innerhalb und außerhalb des Irak leisten. Die NATO-Ausbildungsmission für irakische Sicherheitskräfte wird sich weiterentwickeln mit dem Ziel, sie im Rahmen der Mittel und Möglichkeiten, im Lichte der Bedarfsanmeldungen sowie der Standpunkte und Bitten der irakischen Regierung um Lehrgänge für Unteroffiziere und einen Grundlehrgang für Offiziere zu erweitern.
  7. Wir verurteilen den Terrorismus auf das Schärfste, ungeachtet seiner Beweggründe oder Erscheinungsformen und werden ihn gemeinsam so lange wie nötig bekämpfen. Unsere Anstrengungen zur Bekämpfung des Terrorismus werden weiterhin in Übereinstimmung mit dem internationalen Recht, einschließlich der Charta der Vereinten Nationen und einschlägigen internationalen Übereinkommen und Protokollen zur Durchführung gelangen. Die Operation Active Endeavour, die maritime Überwachungs- und Begleitschutzoperation der NATO im Mittelmeer, ist sichtbares Zeichen unserer Entschlossenheit. Wir freuen uns auf den Beitrag, den Russland, die Ukraine und die Partner am Mittelmeerdialog leisten werden und begrüßen das Interesse, das Georgien an der Unterstützung dieser Operation bekundet hat. Wir werden weiterhin Unterstützungsangebote interessierter Länder offen und fallbezogen prüfen.
  8. Auf ein Ersuchen der Regierung Pakistans nach dem Erdbeben im Oktober leisten wir in enger Zusammenarbeit mit anderen internationalen Organisationen dringend benötigte humanitäre Hilfe, sowohl durch Lufttransporte als auch durch die Aktivierung der NATO-Reaktionskräfte sowie die Entsendung von bedarfsgerecht zusammengestelltem Hilfspersonal/-material zur Durchführung eines Erdbeben-Hilfseinsatzes. Wir haben für die Mission der Afrikanischen Union im Sudan logistische Unterstützung in den Bereichen der strategischen Transportkapazität und im Aufbau leistungsfähiger Führungselemente gewährt und setzen zur Zeit weitere Ersuchen der Afrikanischen Union auf dem Gebiet der Truppenrotation und im Aufbau von Führungselementen um.
  9. Die Herausforderungen unserer Zeit verlangen die verbesserte Zusammenarbeit zwischen internationalen Organisationen. In allen unseren Operationen und Missionen beabsichtigen wir, die praktische Zusammenarbeit mit den jeweiligen Akteuren fortzusetzen. Wir wollen die Zusammenarbeit zwischen der NATO und den Vereinten Nationen vertiefen und weiterentwickeln und den vereinbarten Rahmen für die strategische Partnerschaft des Bündnisses mit der Europäischen Union mit mehr Substanz versehen.
  10. Die Stärkung der Beziehungen zu Partnern ist weiter ein wichtiges Ziel für die NATO. Wir begrüßen das Interesse der Kontaktländer an den Aktivitäten der NATO. Wir wollen den Euro-Atlantischen Partnerschaftsrat und die Partnerschaft für den Frieden zu wirksameren, werteorientierten Rahmenstrukturen zur Festigung der internationalen Stabilität ausbauen, die Interoperabilität zwischen Bündnismitgliedern und Partnern verbessern sowie demokratische Werte und Reformen fördern. Wir begrüßen die Reaktion vieler Länder auf die neuen Möglichkeiten der engeren Zusammenarbeit mit der NATO über unseren Mittelmeerdialog und die Istanbuler Kooperationsinitiative und unterstreichen die Wichtigkeit ihrer laufenden Aktivitäten. Wir wollen dafür Sorge tragen, dass die verschiedenen Instrumente der Partnerschaft uns auch in Zukunft hilfreich sind, die Ziele der Partnerschaft weiterzuverfolgen und freuen uns, dass Partner diese Mittel immer stärker nutzen. Wir begrüßen die Beiträge, die Partner- und Kontaktstaaten sowie andere Nationen zu unseren Operationen leisten.
  11. Wir bekräftigen unsere Entschlossenheit, den NATO-Russland-Rat als Rahmen für die Erweiterung unseres Dialogs und unserer praktischen Zusammenarbeit mit Russland im Geiste der Erklärung von Rom aus dem Jahre 2002 voll zu nutzen. Wir erwarten die zügige Ratifizierung des PfP-Streitkräftestatuts durch Russland, das es uns ermöglichen wird, unsere Zusammenarbeit noch gehaltvoller zu gestalten. Wir nehmen mit Zufriedenheit die bisher erfolgreich verlaufene Umsetzung des NATO-Russland-Aktionsplans zum Terrorismus zur Kenntnis sowie die Fortschritte in verschiedenen Bereichen der praktischen Zusammenarbeit. Wir begrüßen das Pilotprojekt des NATO-Russland-Rats, das auf den Weg gebracht worden ist, um Personal aus Afghanistan und Zentralasien in der Drogenbekämpfung auszubilden.
  12. Wir begrüßen die jüngsten Anstrengungen der Ukraine, ihre demokratischen Institutionen zu stärken und den Verteidigungs- und Sicherheitsbereich zu reformieren. Wir bringen zu diesem Zeitpunkt unsere Zufriedenheit über die Gespräche zum Ausdruck, die wir gemeinsam über diese Reformanstrengungen geführt haben, nachdem der intensivierte Dialog auf den Weg gebracht worden war. Wir ermutigen die Ukraine, weiter zur regionalen Sicherheit beizutragen. Wir unterstreichen, dass weitere Schritte zur Verwirklichung der euro-atlantischen Integrationsziele der Ukraine, einschließlich der möglichen Beteiligung am Aktionsplan zur Mitgliedschaft, primär von konkreten, messbaren Fortschritten in der Umsetzung entscheidender Reformen und Grundsatzfragen durch die Ukraine sowie der Durchführung freier, fairer Wahlen zum Obersten Rat (Werchowna Rada) im März 2006 abhängig sind.
  13. Wir setzen uns weiter für die Integration aller Länder des westlichen Balkans in euro-atlantische Strukturen ein und begrüßen die positiven Entwicklungen in der Region. Diese Länder müssen ihre regionale Zusammenarbeit vertiefen und gutnachbarliche Beziehungen fördern sowie für noch offene Fragen Lösungen finden, die für alle annehmbar sind und denen alle zustimmen können. Sie müssen den Reformprozess selbst in die Hand nehmen und dauerhafte, multi-ethnische Demokratien aufbauen, das organisierte Verbrechen, die Korruption sowie den Menschenhandel bekämpfen und die Rechtstaatlichkeit fest verankern.
  14. Wir begrüßen die Fortführung der Verteidigungsreformen in Bosnien und Herzegowina, mit der Unterstützung des NATO-Hauptquartiers Sarajewo, und die Ratifizierung einer Vereinbarung mit der NATO in Serbien-Montenegro über die Nutzung von Verbindungswegen, die die Voraussetzungen schafft, um die gemeinsame Arbeit in der Frage der Verteidigungsreform zu vertiefen. Wir bleiben unserer Zielsetzung verpflichtet, beide Länder in unserem Programm der Partnerschaft für den Frieden zu begrüßen, nachdem sie die vorgegebenen Bedingungen erfüllt haben. Die uneingeschränkte Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (IStGhJ) durch alle betroffenen Länder bleibt von äußerster Wichtigkeit, insbesondere um alle vom Gerichtshof angeklagten Personen, speziell Radovan Karadzic und Ratko Mladic, vor Gericht zu bringen.
  15. Wir bekräftigen, dass die Tür zur NATO für neue Mitglieder offen bleibt, dass aber die Entscheidung über die Einladung an beitrittswillige Länder von den Fortschritten abhängig sind, die sie selbst erzielen. Wir würdigen die Fortschritte, die Albanien, Kroatien und die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien 1 im Rahmen ihres Aktionsplans für die Mitgliedschaft bereits erzielt haben. Wie die Chefanklägerin des IStGhJ schon in ihrer jüngsten Beurteilung zum Ausdruck gebracht hat, stellen auch wir fest, dass Kroatien jetzt besser mit dem IStGhJ zusammenarbeitet, und wir fordern das Land eindringlich auf, den flüchtigen Ante Gotovina aufzuspüren, zu ergreifen und an den IStGhJ in Den Haag zu überstellen. Wir ermutigen Albanien, Kroatien und die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien, die Reformen weiterzuführen, die erforderlich sind, um auf dem Wege zur NATO-Mitgliedschaft voranzukommen. Wir ermutigen ebenso die anderen Partnerstaaten, die den Wunsch auf Mitgliedschaft zum Ausdruck gebracht haben, die Instrumente der Partnerschaft voll auszuschöpfen.
  16. Wir erneuern unser Bekenntnis zum KSE-Vertrag, als einem Eckpfeiler der Sicherheit in Europa und zum baldigen Inkrafttreten des angepassten Vertrags, wodurch es neuen Vertragsstaaten möglich würde, dem Vertragswerk beizutreten. Wir erinnern daran, dass die Erfüllung der noch offenen Istanbuler Verpflichtungen zur Republik Georgien und zur Republik Moldau die Voraussetzungen dafür schaffen wird, dass Bündnisländer und andere Vertragsstaaten die Ratifizierung des angepassten KSE-Vertrags voranbringen können. In diesem Zusammenhang begrüßen wir die wichtigen Fortschritte, die Russland und Georgien in ihrer gemeinsamen Erklärung vom 30. Mai 2005 in Bezug auf den Abzug russischer Streitkräfte erzielt haben und erwarten die Lösung der noch verbleibenden Punkte. Mit Bedauern stellen wir jedoch fest, dass keine Fortschritte beim Abzug russischer Streitkräfte aus der Republik Moldau erzielt worden sind und fordern Russland auf, den Abzug seiner Kräfte so bald wie möglich fortzusetzen und zum Abschluss zu bringen.
  17. Wir bleiben der transatlantischen Bindung verpflichtet. Das Bündnis dient als das entscheidende Forum für Sicherheitskonsultationen zwischen Europa und Nordamerika und als wirksames Instrument der Bündnisstaaten, um für Frieden und Stabilität Sorge zu tragen, jetzt und bis weit in die Zukunft. Die Transformation der NATO ist auf gutem Wege. Unser heutiges Treffen hat den Kurs für das NATO-Gipfeltreffen im November nächsten Jahres in Riga klar abgesteckt.
  1. Die Türkei erkennt die Republik Mazedonien mit ihrem verfassungsgemäßen Namen an