Kommuniqué

der Außenminister

  • Last updated 03-Nov-2008 19:38

  1. Die terroristischen Angriffe am 11. September 2001 in den Vereinigten Staaten hatten zur Folge, dass zum ersten Mal in der Geschichte des Bündnisses der Artikel 5 des Nordatlantikvertrags ausgerufen wurde. Wir beklagen den Verlust von Menschenleben, der so viele NATO-Mitgliedsstaaten und Partnerländer getroffen hat. Wir haben heute eine getrennte Erklärung zur Antwort der NATO auf den Terrorismus und dem Beitrag zum Kampf gegen diese Geißel der Menschheit abgegeben. Vor diesem Hintergrund haben wir die umfassende Agenda der NATO geprüft und weitere Weisung für ihre Umsetzung vor dem Prager Treffen der Staats- und Regierungschefs im November nächsten Jahres erteilt.

  2. Heute wollen wir einer neuen Beziehung zu Russland Form und Gestalt geben und unsere Fähigkeit erweitern, auf gemeinsamen Interessensgebieten zusammenzuarbeiten. Wir bekräftigen, dass eine von Vertrauen geprägte und ausgewogene Partnerschaft zwischen den Bündnispartnern und Russland, auf der Grundlage gemeinsamer demokratischer Werte und des gemeinsamen Bekenntnisses zur Gestaltung eines stabilen, friedlichen und ungeteilten Europas, wie in der NATO-Russland-Grundakte festgelegt, für Stabilität und Sicherheit im euro-atlantischen Raum von essentieller Bedeutung ist. Wir haben beschlossen, unserer Partnerschaft frische Impulse und Substanz zu verleihen, mit dem Ziel, zusammen mit Russland einen neuen NATO-Russland-Rat zu schaffen, um Möglichkeiten für gemeinsame Betätigungsfelder zu 20 zu identifizieren und wahrzunehmen. Dazu haben wir den Ständigen NATO-Rat beauftragt, in den kommenden Monaten auf der Basis der Grundakte neue, effektive Mechanismen für die Konsultation, Kooperation, gemeinsame Entscheidung sowie abgestimmte/gemeinsame Aktionen zu sondieren und zu entwickeln. Wir haben die Absicht, diese Kooperationsmechanismen bis zu unserem nächsten Treffen im Mai 2002 in Reykjavik oder früher bereitzustellen. Die grundlegenden Ziele der NATO bestehen fort, wie im Washingtoner Vertrag festgelegt, nach dessen Bestimmungen die NATO ihr Recht auf eigenständige Entscheidungen und Aktionen zu 19 in allen Fragen wahren wird, die mit ihren Verpflichtungen und Verantwortungen im Einklang stehen.

  3. Wir freuen uns, dass uns Russland im Kampf gegen den Terrorismus zur Seite steht und sind überzeugt, dass dies in bedeutendem Maße zu unserem gemeinsamen Ziel einer starken, stabilen und dauerhaften Partnerschaft zwischen der NATO und Russland beitragen wird. Wir intensivieren unsere Zusammenarbeit auf diesem und anderen Gebieten, einschließlich der Nichtverbreitung, Fragen der Export- und Rüstungskontrolle, Transparenz in Bezug auf Waffen und Vertrauensbildene Maßnahmen, Raketenabwehr, im Such- und Rettungsdienst auf See sowie in der praktischen militärischen Zusammenarbeit als einen bedeutenden Schritt zu einer qualitativ neuen Beziehung. Wir unterstützen Russlands Recht zum Schutz seiner territorialen Integrität und erkennen sein Recht an, alle seine Bürger vor Terrorismus und Verbrechen zu schützen. Wir begrüßen die ersten Schritte, die Russland zur Herstellung eines politischen Dialogs im Tschetschenienkonflikt getan hat. Wir appellieren mit Nachdruck an Russland, auf diesen Schritten aufzubauen, um eine sofortige und dauerhafte politische und friedliche Lösung des Konflikts zu finden und die Menschenrechte und sonstigen Rechte der Bevölkerung zu schützen. Wir richten den Appell an die tschetschenische Seite, in gutem Glauben an der Suche nach einer politischen Lösung des Konflikts mitzuwirken, den Terrorismus zu verurteilen und gegen ihn vorzugehen.

  4. Auf ihrem Prager Gipfeltreffen im November nächsten Jahres werden unsere Staats- und Regierungschefs die nächste Erweiterungsrunde der NATO auf den Weg bringen. Wir bekräftigen die neun beitrittswilligen Länder darin, weiter gezielte Anstrengungen zur Vorbereitung auf eine mögliche zukünftige Mitgliedschaft zu unternehmen und dazu die in unseren Aktionsplan zur Mitgliedschaft (MAP) gebotenen Möglichkeiten voll zu nutzen. Wir erwarten auf unserem nächsten Frühjahrstreffen einen konsolidierten Fortschrittsbericht über Aktivitäten im Rahmen des MAP in den Jahren 2001-2002. Wir werden den MAP-Prozess über den laufenden Zyklus hinaus fortführen. Während die beitrittswilligen Länder ihre Vorbereitungen weiterführen, trifft die NATO ihre eigenen internen Vorbereitungen für die Aufnahme neuer Mitglieder. Wir erteilen dem Ständigen Rat die Weisung, auf unserem nächsten Treffen über die Fragen zu berichten, die es noch zu untersuchen gilt, um umfassende Empfehlungen für die Entscheidungen unserer Staats- und Regierungschefs auf dem Prager Gipfel vorzubereiten.

  5. Wir bekräftigen unser Engagement für ein friedliches, stabiles und demokratisches Südosteuropa und unsere Entschlossenheit, gegen jede Art der Gewalt vorzugehen, ungeachtet ethnischer, politischer oder krimineller Beweggründe. Wir erneuern unsere Bereitschaft zur Unterstützung der territorialen Integrität und Souveränität aller Länder Südosteuropas. Durch unser Zusammenwirken mit Partnern im SFOR- und KFOR-Rahmen und unsere Kooperation mit anderen internationalen Institutionen werden wir regionale Aussöhnung und Zusammenarbeit, gutnachbarliche Beziehungen, stabile und sichere Grenzen, den Schutz der Rechte aller Angehörigen von Ethnien und Minderheitengruppen, Vertrauensbildende Maßnahmen, eine dauerhafte Lösung der Flüchtlings- und Vertriebenenfrage sowie die uneingeschränkte Zusammenarbeit mit dem internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (IStGhf) fördern. Alle vom IStGhf wegen Kriegsverbrechen angeklagten Personen müssen in Den Haag vor Gericht gestellt werden.

  6. Noch im Laufe dieses Monats werden unsere Verteidigungsminister den Stand der NATO-Operationen auf dem Balkan sowie Möglichkeiten zur Rationalisierung und für einen erweiterten regionalen Ansatz prüfen und dabei der Notwendigkeit weiterer enger Konsultationen mit anderen betroffenen internationalen Organisationen Rechnung tragen. Unsere Anstrengungen insgesamt haben zum Ziel, die Grundlage für sich selbst tragenden Frieden in der Region zu schaffen, der die internationale Truppenpräsenz nicht länger erforderlich macht.

  7. Im zurückliegenden Jahr hat die Allianz in enger Zusammenarbeit mit der Europäischen Union (EU) und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) eine besonders aktive Rolle zur Förderung von Stabilität und Sicherheit in der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien gespielt. In diesem Zusammenhang danken wir den Nachbarstaaten, besonders Albanien, für ihre konstruktive Einstellung. Wir begrüßen die freiwillige Entwaffnung und Auflösung der sogenannten Nationalen Befreiungsarmee, die Annahme von Verfassungsänderungen des Landes durch das Parlament und die von Präsident Trajkowski verkündete Amnestie. Wir verurteilen noch einmal mit Nachdruck die Anwendung von Gewalt zu politischen Zwecken. Wir fordern alle Beteiligten eindringlich auf, die Rahmenvereinbarung vollständig umzusetzen und weiter mit der internationalen Gemeinschaft zusammenzuarbeiten. Wir bekräftigen unsere Bereitschaft zur Unterstützung der territorialen Integrität der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien. Das Bündnis ist bereit, weiter zur Sicherheit beizusteuern, indem es im Rahmen seines Beitrags zu Frieden und Stabilität im Land weitere drei Monate lang den EU- und OSZE-Beobachtern Unterstützung gewährt.

  8. Wir treten weiterhin mit Festigkeit für die vollständige Implementierung der Rahmenvereinbarung für den Frieden in Bosnien und Herzegowina ein und fordern alle politischen Führer in diesem Lande auf, auch weiterhin Separatismus und Gewalt zu entsagen, demokratische Institutionen zu unterstützen und größeres Verantwortungsbewusstsein sowie mehr Eigenverantwortung für den Prozess der Umsetzung der Friedensvereinbarung von Dayton zu übernehmen. Wir unterstützen mit Nachdruck die entsprechenden Anstrengungen durch SFOR und IStGhf, wegen Kriegsverbrechen angeklagte Personen zu ergreifen und vor Gericht zu stellen. In diesem Zusammenhang wiederholen wir, dass die Gebietseinheiten die Hauptverantwortung dafür tragen, dass wegen Kriegsverbrechen angeklagte Personen vor Gericht gestellt werden und wir fordern sie eindringlich auf, dazu effektiver mit SFOR zusammenzuarbeiten.

  9. Wir begrüßen die Wahlen vom 17. November für Gesamtkosovo, an denen sich alle Gemeinschaften sehr zahlreich beteiligt haben, als einen wichtigen Schritt zu einem friedlichen, multiethnischen, multikulturellen und demokratischen Kosovo, in dem alle seine Bewohner, ungeachtet ihrer Abstammung oder Religion, in Frieden und Sicherheit leben sowie weltweit geltende Menschenrechte und Freiheiten gleichermaßen genießen können, auch durch die Teilhabe an demokratischen Institutionen. Wir ermutigen die neu gewählten Führer, ihre neuen €mter in strikter Übereinstimmung mit der Resolution 1244 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, dem verfassungsmäßigen Rahmen für die provisorische Selbstverwaltung und in uneingeschränkter Zusammenarbeit mit UNMIK und KFOR auszuüben. Wir richten fernen den Appell an sie, die effektive Zusammenarbeit mit den Behörden der Bundesrepublik Jugoslawien (BRJ) aufzunehmen.

  10. Wir begrüßen die konstruktive Unterstützung Belgrads der Teilnahme der kosovo-serbischen Gemeinschaft an den jüngsten Wahlen im Kosovo. Wir stellen mit Zufriedenheit die stetigen Fortschritte zur Aussöhnung zwischen den Parteien in Südserbien fest und werden die Lage in dieser Region weiter mit großer Aufmerksamkeit verfolgen. Wir begrüßen die ständige Verbesserung unserer Beziehungen zur BRJ und sehen ihrer weiteren Entwicklung erwartungsvoll entgegen. Wir erneuern unsere Bereitschaft zur Unterstützung eines demokratischen Montenegro als Teil einer demokratischen BRJ.

  11. Mit dem 10. Jahrestag der NATO-Politik der Partnerschaft und Zusammenarbeit anerkennen wir den entscheidenden Beitrag der Partnerländer der NATO zu den Anstrengungen der Allianz, Frieden und Stabilität in der euro-atlantischen Region zu fördern. Wir wertschätzen besonders ihre Beiträge zu unseren Friedensoperationen auf dem Balkan. Wir würdigen ebenso die Solidarität und Unterstützung, die unsere Partner, besonders die in Zentralasien und im Kaukasus, im internationalen Kampf gegen den Terrorismus unter Beweis gestellt haben. Wir wollen die Zusammenarbeit im Rahmen des Euro-Atlantischen Partnerschaftsrats (EAPR) und der Partnerschaft für den Frieden (PfP) weiter ausbauen und verstärken. Wir bestärken alle Partner darin, ihre Beziehung zur Allianz noch aktiver zu gestalten. Wir wollen unsere Zusammenarbeit mit unseren Partnern am Mittelmeerdialog ebenfalls erweitern und stärken und fordern sie auf, ihren Dialog mit uns in gemeinsamen Sicherheitsfragen zu intensivieren.

  12. Wir messen der weiteren Entwicklung und dem Ausbau der ausgeprägten Partnerschaft zwischen der NATO und der Ukraine auch in Zukunft große Wichtigkeit bei. In diesem Zusammenhang fordern wir die Ukraine auf, weiter konkrete Schritte zur Fortführung ihres Reformprozesses zu tun und sind bereit, sie dabei zu unterstützen. Wir möchten auch unterstreichen, wie wichtig es ist, dass wir unsere gemeinsamen Verpflichtungen erfüllen und unserer gemeinsam übernommenen Verantwortung auf dem Balkan gerecht werden.

  13. Wir bekräftigen unser Engagement zur Verwirklichung einer engen, transparenten und kohärenten NATO-EU-Beziehung. Unsere gemeinsamen Anstrengungen auf dem Balkan haben die Erreichung von Frieden und Stabilität in dieser Region gefördert und gezeigt, dass die enge Zusammenarbeit bedeutenden Nutzen mit sich bringt. Die Ereignisse vom 11. September haben die Wichtigkeit der erweiterten Zusammenarbeit zwischen den zwei Organisationen in gemeinsam interessierenden Fragen der Sicherheit, Verteidigung und Krisenbewältigung unterstrichen, damit auf Krisen mit der geeignetsten militärischen Antwort reagiert und ein effektives Krisenmanagement sichergestellt werden können. Wichtige Arbeit bleibt in der Frage der Vorkehrungen für NATO-Unterstützung für EU-geführte Operationen nach Maßgabe der Entscheidungen des Washingtoner Gipfels und späterer Ministertreffen noch zu tun. Wir sind nach wie vor entschlossen, in allen verschiedenen Aspekten unserer Beziehungen Fortschritte zu erzielen und stellen dabei die Notwendigkeit heraus, Lösungen zu finden, die für alle Bündnispartner in der Frage der Teilnahme der nicht zur EU gehörenden europäischen Bündnispartner zufriedenstellend sind. Wir nehmen die verbindliche Zusage der EU zur Kenntnis, die Modalitäten für Konsultationen mit Kanada und für die Teilnahme Kanadas an EU-geführten Operationen zu finalisieren.

  14. Die Ereignisse vom und seit dem 11. September zeigen, dass unsere Sicherheit durch eine Vielzahl verschiedenartiger, oft unvorhersehbarer Herausforderungen bedroht wird. Durch unsere Initiative zur Verteidigungsfähigkeit wollen wir sicherstellen, dass die Streitkräfte des Bündnisses über die bestmöglichen Fähigkeiten verfügen, um diesen Herausforderungen zu begegnen und in der Lage sind, nahtlos zusammenzuwirken. Der Ausbau der europäischen Fähigkeiten ist für diesen Prozess von zentraler Bedeutung.

  15. Wir bekräftigen, dass die Allianz befähigt sein muss, sich angemessen und effektiv gegen die Bedrohungen zu verteidigen, die sich aus der Proliferation von Massenvernichtungswaffen und ihrer Trägermittel ergeben können. Unsere Reaktion muss dem Grundsatz der Unteilbarkeit der Sicherheit der Bündnispartner entsprechen. Wir werden weiter gemeinsam darauf hinarbeiten, die umfassende Strategie der Allianz so anzupassen, dass diesen Herausforderungen begegnet werden kann, und zwar durch politische und verteidigungspolitische Anstrengungen im passenden Mischverhältnis. In diesem Zusammenhang wird die Politik des Bündnisses der Förderung der Rüstungskontrolle, Abrüstung und Nichtverbreitung weiter eine bedeutende Rolle spielen, um die Sicherheitsziele der Allianz zu verwirklichen. Die Allianz unterstreicht die Wichtigkeit der Einhaltung und Stärkung bestehender Nichtverbreitungs- und Exportkontrollregime sowie internationaler Rüstungskontroll- und Abrüstungsverträge. Wir werden weiter aktiv zur Entwicklung von Vereinbarungen und Maßnahmen auf diesem Gebiet beitragen und auf weitere Waffenreduzierungen, Transparenz und Vertrauensbildung hinarbeiten. Wir bekräftigen unsere Entschlossenheit, zur Implementierung der Schlussfolgerungen der Überprüfungskonferenz zum Nichtverbreitungsvertrag (NVV) aus dem Jahre 2000 beizutragen und werden auf einen erfolgreichen Ausgang der anstehenden Überprüfung hinwirken. Wir unterstützen ebenso die laufenden Anstrengungen zur Erreichung eines internationalen Verhaltenskodex gegen die Proliferation ballistischer Flugkörper noch vor Ende des Jahres 2002. Nichtverbreitung, Rüstungskontrolle und Abrüstung spielen zusammen mit der Abschreckung und Verteidigung eine essentielle Rolle im Ausbau der Sicherheit gegen diese neuen Bedrohungen und Herausforderungen. In diesem Kontext wird die Rolle, die der Raktenabwehr zukommen könnte, aktiv berücksichtigt, während wir unsere Konsultationen mit den Vereinigten Staaten in dieser Frage fortführen. Dazu begrüßen wir die laufende Arbeit in der NATO zur Abwehr taktischer Flugkörper.

  16. Eingedenk der Ergebnisse der 2. KSE-Überprüfungskonferenz begrüßen die Bündnispartner die von Russland geplanten Reduzierungen seiner überzähligen Ausrüstungsbestände im Nordkaukasus auf die vereinbarten Obergrenzen, die transparent und verifizierbar sein müssen, und die Fortschritte in der Reduzierung und im Abzug russischer Ausrüstungen aus Moldau. Wir fordern die zügige Klärung der zwischen Russland und Georgien noch offenen Fragen. Die Bündnispartner können die Ratifizierung des angepassten KSE-Vertrags nur im Zusammenhang mit der vollständigen Erfüllung durch alle Vertragsstaaten der vereinbarten Vertragsobergrenzen und im Einklang mit den Verpflichtungen des KSE-Schlussakte ins Auge fassen. Wir erwarten das Inkrafttreten des Vertrags über den Offenen Himmel am 1. Januar 2002.