Das Strategische Konzept Des Bündnisses
Einleitung
- Auf ihrem Gipfeltreffen im April 1999 in Washington billigten die Staats- und Regierungs-chefs der NATO das neue Strategische Konzept des Bündnisses.
- Die NATO hat während der vierzig Jahre des KaltenKrieges die Freiheit ihrer Mitglied-staaten erfolgreich gesichert und einen Krieg in Europa verhindert. Durch die Verbindung von Verteidigungsbereitschaft mit Dialog spielte sie eine unverzichtbare Rolle bei der friedlichen Überwindung des Ost-West-Gegensatzes. Die dramatischen Veränderungen in der euro-atlantischen strategischen Landschaft nach dem Ende des KaltenKrieges spiegel-ten sich im Strategischen Konzept des Bündnisses von 1991 wider. Seither haben sich je-doch weitere tiefgreifende politische und sicherheitspolitische Entwicklungen vollzogen.
- Die Gefahren des KaltenKrieges sind vielversprechenderen, aber auch herausfordernden Perspektiven, neuen Chancen und Risiken gewichen. Ein neues, stärker integriertes Europa ist im Entstehen begriffen, und es bildet sich eine euro-atlantische Sicherheits-struktur heraus, in der die NATO eine zentrale Rolle spielt. Das Bündnis steht im Mittel-punkt der Bemühungen um die Etablierung neuer Muster der Zusammenarbeit und der gegenseitigen Verständigung überall in der euro-atlantischen Region und bekennt sich zu wesentlichen neuen Aktivitäten im Interesse breiter angelegter Stabilität. Wie tief dieses Bekenntnis reicht, zeigen die Bemühungen des Bündnisses, dem durch Konflikte auf dem Balkan ver-ursachten unsäglichen menschlichen Leid ein Ende zu setzen. In den Jahren seit dem Ende des KaltenKrieges haben sich auch wichtige Entwicklungen in der Rüstungskontrolle vollzogen, ein Prozeß, zu dem sich die NATO uneingeschränkt bekennt. Die Rolle des Bündnisses in die-sen positiven Entwicklungen wird untermauert durch die umfassende Anpassung seines sicherheitspolitischen Ansatzes sowie seiner Verfahren und Strukturen. In den letzten zehn Jahren sind jedoch auch komplexe neue Risiken für euro-atlantischen Frieden und Stabilität aufgetreten, einschließlich Unterdrückung, ethnischer Konflikte, wirt-schaftlicher Not, des Zusammenbruchs politischer Ordnungen sowie der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen.
- Dem Bündnis kommt eine unverzichtbare Rolle bei der Konsolidierung und Wahrung der positiven Veränderungen der jüngeren Vergangenheit sowie bei der Bewältigung gegen-wärtiger und künftiger sicherheitspolitischer Herausforderungen zu. Seine Agenda ist daher anspruchsvoll. Es muß gemeinsame Sicherheitsinteressen in einem von weiteren, oft nicht vorhersagbaren Veränderungen geprägten Umfeld wahren. Es muß die kollektive Verteidigung aufrechterhalten und das transatlantische Band stärken sowie ein Gleich-gewicht gewährleisten, das es den europäischen Verbündeten erlaubt, größere Verantwor-tung zu übernehmen. Es muß seine Beziehungen zu seinen Partnern vertiefen und sich auf den Beitritt neuer Mitglieder vorbereiten. Vor allem aber muß es den politischen Willen und die militärischen Mittel aufrechterhalten, die für das Gesamtspektrum seiner Aufgaben erforderlich sind.
- Dieses neue Strategische Konzept wird das Bündnis bei der Verfolgung dieser Agenda leiten. Es bringt Zweck und Wesen des Bündnisses, die unverändert bleiben, sowie dessen grundlegende Sicherheitsaufgaben zum Ausdruck, zeigt die zentralen Merkmale des neuen Sicherheitsumfelds auf, konkretisiert die Elemente des breit angelegten sicher-heitspolitischen Ansatzes des Bündnisses und gibt Richtlinien für die weitere Anpassung seiner Streitkräfte vor.
Teil I - Zweck Und Aufgaben Des Bündnisses
- Der wesentliche und fortdauernde Zweck der NATO, der im Vertrag von Washington niedergelegt ist, besteht darin, die Freiheit und Sicherheit aller ihrer Mitglieder mit politi-schen und militärischen Mitteln zu gewährleisten. Auf der Grundlage der gemeinsamen Werte Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit strebt das Bündnis seit seiner Gründung eine gerechte und dauerhafte Friedensordnung in Europa an. Dies wird es auch weiterhin tun. Die Verwirklichung dieses Ziels kann durch Krisen und Konflikte, die die Sicherheit des euro-atlantischen Raums berühren, gefährdet werden. Das Bündnis gewähr-leistet daher nicht nur die Verteidigung seiner Mitglieder, sondern trägt auch zu Frieden und Stabilität in dieser Region bei.
- Das Bündnis verkörpert die transatlantische Bindung, die die Sicherheit Nordamerikas und die Sicherheit Europas auf Dauer verknüpft. Es ist der konkrete Ausdruck wirksamen kollektiven Bemühens seiner Mitglieder um Förderung ihrer gemeinsamen Interessen.
- Grundlegendes Leitprinzip, nach dem das Bündnis arbeitet, sind gemeinsames Eintreten und allseitige Zusammenarbeit unter souveränen Staaten zur Festigung der Unteilbarkeit der Sicherheit aller seiner Mitglieder. Solidarität und Zusammenhalt im Bündnis durch die tägliche Zusammenarbeit im politischen wie im militärischen Bereich bieten die Gewähr, daß kein einziger Verbündeter darauf angewiesen ist, sich bei der Bewältigung elementarer sicher-heitspolitischer Herausforderungen allein auf seine eigenen nationalen Anstrengungen zu verlassen. Ohne den Mitgliedstaaten ihr Recht und ihre Pflicht abzusprechen, ihre souve-räne Verantwortung im Verteidigungsbereich wahrzunehmen, ermöglicht ihnen das Bündnis durch kollektives Bemühen, ihre entscheidenden nationalen sicherheitspolitischen Ziele zu verwirklichen.
- Daraus erwächst, ungeachtet jeweils unterschiedlicher Gegebenheiten und nationaler mili-tärischer Fähigkeiten, ein Gefühl gleicher Sicherheit der Bündnismitglieder. Dieses Gefühl trägt zur Stabilität im euro-atlantischen Raum bei. Das Bündnis strebt diese Vorteile nicht alleine für seine Mitglieder an, sondern es bekennt sich zur Schaffung von Bedingungen, die einem Ausbau von Partnerschaft, Zusammenarbeit und Dialog mit anderen, die seine breiten politischen Ziele teilen, förderlich sind.
- Um sein wesentliches Ziel zu erreichen, nimmt das Bündnis als eine Allianz von Nationen, die dem Washingtoner Vertrag und der Charta der Vereinten Nationen verpflichtet ist, die folgenden grundlegenden Sicherheitsaufgaben wahr:
- Krisenbewältigung: Es steht bereit, von Fall zu Fall und im Konsens, im Einklang mit Artikel 7 des Washingtoner Vertrags zu wirksamer Konfliktverhütung beizutragen und sich bei der Krisenbewältigung aktiv einzusetzen, einschließlich durch Krisenreaktionseinsätze.
- Partnerschaft: Es fördert eine breit angelegte Partnerschaft, Zusammenarbeit und Dialog mit anderen Staaten im euro-atlantischen Raum mit dem Ziel, Transparenz, gegenseitiges Vertrauen und die Fähigkeit zu gemeinsamem Handeln mit dem Bündnis zu erhöhen.
- Das Bündnis wird bei der Erfüllung seines Ziels und seiner grundlegenden Sicherheitsauf-gaben auch weiterhin die legitimen Sicherheitsinteressen anderer Staaten achten und die friedliche Beilegung von Streitigkeiten in Übereinstimmung mit der Charta der Vereinten Nationen anstreben. Das Bündnis wird friedliche und freundschaftliche internationale Be-ziehungen fördern und demokratische Institutionen unterstützen. Das Bündnis betrachtet sich nicht als Gegner irgendeines anderen Staates.
Sicherheit: Es bietet eines der unverzichtbaren Fundamente für ein stabiles euro-atlantisches Sicherheitsumfeld, gegründet auf dem Wachsen demokratischer Einrichtungen und auf dem Bekenntnis zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten, in dem kein Staat in der Lage ist, einen anderen Staat durch die Androhung oder Anwendung von Gewalt einzuschüchtern oder einem Zwang auszusetzen.
Konsultation: Es dient gemäß Artikel 4 des Washingtoner Vertrags als ein wesentliches transatlantisches Forum für Konsultationen unter den Verbündeten über alle Fragen, die ihre vitalen Interessen einschließlich möglicher Entwicklungen berühren, die Risiken für die Sicherheit der Bündnismitglieder mit sich bringen, und als Forum für sachgerechte Koor-dinierung ihrer Bemühungen in Bereichen, die sie gemeinsam angehen.
Abschreckung und Verteidigung: Es schreckt von jeder Aggressionsdrohung und wehrt jeden Angriff gegen einen NATO-Mitgliedstaat ab, wie es in den Artikeln 5 und 6 des Washingtoner Vertrags vorgesehen ist.
Und es stärkt Sicherheit und Stabilität des euro-atlantischen Raums durch:
Teil II - Strategische Perspektiven
Das Sich Entwickelnde Strategische Umfeld
- Das Bündnis wirkt in einem Umfeld, das stetem Wandel unterworfen ist. Die Entwicklun-gen der letzten Jahre waren im allgemeinen positiv, aber Unsicherheiten und Risiken, die sich zu akuten Krisen entwickeln können, bleiben bestehen. Innerhalb dieses sich ent-wickelnden Kontextes hat die NATO wesentlichen Anteil an der Stärkung der euro-atlan-tischen Sicherheit seit Ende des KaltenKrieges. Ihre wachsende politische Rolle, ihre ver-stärkte politische und militärische Partnerschaft, Zusammenarbeit und Dialog mit anderen Staaten einschließlich Rußlands, der Ukraine und der Staaten des Mittelmeerdia-logs, die fortdauernde Offenheit für den Beitritt neuer Mitglieder, ihre Zusammenarbeit mit anderen internationalen Organisationen, ihr auf dem Balkan gezeigtes Eintreten für Konfliktverhütung und Krisenbewältigung, einschließlich durch friedensunterstützende Operatio-nen: All dies spiegelt die Entschlossenheit des Bündnisses wider, sein Sicherheitsumfeld zu gestalten sowie Frieden und Stabilität des euro-atlantischen Raums zu erhöhen.
- Parallel dazu hat sich die NATO erfolgreich angepaßt, um ihre Fähigkeit zu verbessern, zu euro-atlantischem Frieden und Stabilität beizutragen. Zu den inneren Reformen gehören eine neue Kommandostruktur einschließlich des Konzepts der Alliierten Streit-kräftekommandos (CJTF), die Schaffung von Vorkehrungen, die die rasche Dislozierung von Streitkräften für das gesamte Spektrum von Bündnisaufgaben erlauben, sowie der Aufbau der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungsidentität (ESVI) innerhalb des Bündnisses.
- Die Vereinten Nationen (VN), die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die Europäische Union (EU) und die Westeuropäische Union (WEU) leisten ausgeprägte Beiträge zur euro-atlantischen Sicherheit und Stabilität. Sich gegen-seitig verstärkende Organisationen sind zu einem zentralen Merkmal des Sicherheitsum-felds geworden.
- Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen trägt die primäre Verantwortung für die Wah-rung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit und leistet in dieser Eigenschaft einen entscheidenden Beitrag zur Sicherheit und Stabilität im euro-atlantischen Raum.
- Die OSZE als regionale Abmachung ist diejenige Sicherheitsorganisation in Europa, die die meisten Staaten umfaßt und auch Kanada und die Vereinigten Staaten einschließt; sie spielt eine wesentliche Rolle bei der Förderung von Frieden und Stabilität, der Erhöhung der kooperativen Sicherheit und der Förderung von Demokratie und Menschenrechten in Europa. Die OSZE ist besonders aktiv auf den Gebieten vorbeugende Diplomatie, Kon-fliktverhütung, Krisenbewältigung und Wiederaufbau nach Konflikten. Die NATO und die OSZE haben eine enge praktische Zusammenarbeit entwickelt, insbesondere im Hinblick auf die internationalen Bemühungen, dem ehemaligen Jugoslawien Frieden zu bringen.
- Die Europäische Union hat wichtige Beschlüsse gefaßt und ihren Bemühungen um die Stärkung ihrer sicherheits- und verteidigungspolitischen Dimension einen weiteren Impuls verliehen. Dieser Prozeß wird Auswirkungen auf das gesamte Bündnis haben, und alle europäischen Verbündeten sollten, aufbauend auf von der NATO und der WEU ent-wickelten Vorkehrungen, in ihn einbezogen werden. Die Entwicklung einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) umfaßt die fortschreitende Gestaltung einer ge-meinsamen Verteidigungspolitik. Eine solche Politik, wie sie im Vertrag von Amsterdam gefordert wird, wäre mit der gemeinsamen Sicherheits- und Vereidigungspolitik im Rah-men des Washingtoner Vertrags vereinbar. Wichtige in diesem Zusammenhang unternom-mene Schritte umfassen die Einbeziehung der Petersberg-Aufgaben der WEU in den Ver-trag über die Europäische Union und die Herstellung engerer institutioneller Beziehungen zur WEU.
- Wie in der Gipfelerklärung von 1994 zum Ausdruck gekommen und 1996 in Berlin be-kräftigt, unterstützt das Bündnis uneingeschränkt die Entwicklung der europäischen Sicherheits- und Verteidigungsidentität innerhalb des Bündnisses, indem sie ihre Mittel und Fähigkeiten für WEU-geführte Operationen zur Verfügung stellt. Zu diesem Zweck haben das Bündnis und die WEU enge Beziehungen hergestellt und Schlüsselelemente der ESVI in Kraft gesetzt, wie in Berlin vereinbart. Zur Verbesserung von Frieden und Stabili-tät in Europa und darüber hinaus stärken die europäischen Verbündeten ihre Handlungs-fähigkeit, auch durch eine Verstärkung ihrer militärischen Fähigkeiten. Der Zuwachs an Verantwortlichkeiten und Fähigkeiten der europäischen Verbündeten hinsichtlich Sicher-heit und Verteidigung verbessert das Sicherheitsumfeld des Bündnisses.
- Stabilität, Transparenz, Berechenbarkeit, ein niedrigeres Rüstungsniveau sowie Verifika-tion, wie durch Rüstungskontroll- und Nichtverbreitungsübereinkommen erreicht werden können, unterstützen die politischen und militärischen Anstrengungen der NATO zur Ver-wirklichung ihrer strategischen Ziele. Die Verbündeten haben an den wichtigen Erfolgen in diesem Bereich großen Anteil. Dazu gehören die aus dem KSE-Vertrag resultierende ver-besserte Stabilität, die tiefen Einschnitte bei Kernwaffen, wie sie in den START-Verträgen vorgesehen sind, die Unterzeichnung des Vertrags über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen, die unbegrenzte und unkonditionierte Verlängerung des Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen, der Beitritt von Belarus, Kasachstan und der Ukraine zu diesem Vertrag als Nichtkernwaffenstaaten sowie das Inkrafttreten des Chemiewaffenübereinkommens. Das Übereinkommen von Ottawa über die Ächtung von Antipersonenminen sowie ähnliche Übereinkünfte leisten einen wichtigen Beitrag zur Linderung menschlichen Leids. Die Aussichten für weitere Fortschritte der Rüstungskontrolle bei konventionellen sowie atomaren, chemischen und biologischen (ABC) Waffen sind günstig.
Sicherheitspolitische Herausforderungen Und Risiken
- Ungeachtet positiver Entwicklungen im strategischen Umfeld sowie der Tatsache, daß ein großangelegter konventioneller Angriff gegen das Bündnis höchst unwahrscheinlich ist, besteht die Möglichkeit, daß sich eine solche Bedrohung längerfristig entwickelt. Die Sicherheit des Bündnisses bleibt einem breiten Spektrum militärischer und nichtmilitäri-scher Risiken unterworfen, die aus vielen Richtungen kommen und oft schwer vorherzusa-gen sind. Zu diesen Risiken gehören Ungewißheit und Instabilität im und um den euro-atlantischen Raum sowie die mögliche Entstehung regionaler Krisen an der Peripherie des Bündnisses, die sich rasch entwickeln könnten. Einige Länder im und um den euro-atlanti-schen Raum sehen sich ernsten wirtschaftlichen, sozialen und politischen Schwierigkeiten gegenüber. Ethnische und religiöse Rivalitäten, Gebietsstreitigkeiten, unzureichende oder fehlgeschlagene Reformbemühungen, die Verletzung von Menschenrechten und die Auf-lösung von Staaten können zu lokaler und selbst regionaler Instabilität führen. Die daraus resultierenden Spannungen könnten zu Krisen führen, die die euro-atlantische Stabilität berühren, sowie zu menschlichem Leid und bewaffneten Konflikten. Solche Konflikte könnten, indem sie auf benachbarte Staaten einschließlich NATO-Staaten übergreifen oder in anderer Weise, auch die Sicherheit des Bündnisses oder anderer Staaten berühren.
- Das Vorhandensein starker Nuklearstreitkräfte außerhalb des Bündnisses stellt ebenfalls einen bedeutsamen Faktor dar, dem das Bündnis Rechnung tragen muß, wenn Sicherheit und Stabilität im euro-atlantischen Raum aufrechterhalten werden sollen.
- Die Verbreitung von ABC-Waffen und ihrer Trägermittel gibt weiter Anlaß zu großer Sorge. Trotz willkommener Fortschritte bei der Stärkung internationaler Nichtverbreitungsregime bleiben große Herausforderun-gen in bezug auf die Verbreitung bestehen. Das Bündnis weiß, daß es zur Weiterverbrei-tung solcher Waffen trotz der Bemühungen, sie zu verhindern, kommen kann und daß dies eine direkte militärische Bedrohung der Bevölkerung, Hoheitsgebiete und Streitkräfte des Bündnisses darstellen kann. Einige Staaten, darunter solche an der Peripherie des Bündnis-ses und in anderen Regionen, verkaufen oder verschaffen sich ABC-Waffen und Trä-germittel bzw. versuchen sie sich zu verschaffen. Güter und Technologien, die zur Herstel-lung dieser Massenvernichtungswaffen und ihrer Trägermittel genutzt werden könnten, werden gängiger, während die Aufdeckung und Verhinderung des illegalen Handels mit diesen Materialien und dem dazugehörigen Know-how weiterhin schwierig ist. Nichtstaatliche Akteure haben sich als fähig erwiesen, einige dieser Waffen herzustellen und zu einzusetzen.
- Die weltweite Verbreitung von Technologien, die zur Herstellung von Waffen genutzt werden können, kann zur größeren Verfügbarkeit von hochentwickelten militärischen Fähigkeiten führen und es Gegnern erlauben, sich hochwirksame luft-, land- und see-gestützte Offensiv- und Defensivsysteme, Marschflugkörper und andere fortgeschrittene Waffensysteme zu verschaffen. Darüber hinaus könnten staatliche und nichtstaatliche Geg-ner versuchen, die zunehmende Abstützung des Bündnisses auf Informationssysteme durch Informationsoperationen zur Untauglichmachung solcher Systeme auszunutzen. Sie könnten versuchen, Strategien dieser Art einzusetzen, um die Überlegenheit der NATO bei traditionellen Waffen auszugleichen.
- Im Fall eines bewaffneten Angriffs auf das Gebiet der Bündnispartner, aus welcher Rich-tung auch immer, finden Artikel 5 und 6 des Vertrags von Washington Anwendung. Die Sicherheit des Bündnisses muß jedoch auch den globalen Kontext berücksichtigen. Sicher-heitsinteressen des Bündnisses können von anderen Risiken umfassenderer Natur berührt werden, einschließlich Akte des Terrorismus, der Sabotage und des organisierten Verbrechens sowie der Un-terbrechung der Zufuhr lebenswichtiger Ressourcen. Die unkontrollierte Bewegung einer großen Zahl von Menschen, insbesondere als Folge bewaffneter Konflikte, kann ebenfalls Probleme für die Sicherheit und Stabilität des Bündnisses aufwerfen. Im Bündnis gibt es Mechanismen für Konsultationen nach Artikel 4 des Washingtoner Vertrags sowie gege-benenfalls zur Koordinierung der Maßnahmen der Bündnispartner einschließlich ihrer Reaktionen auf derartige Risiken.
Teil III - Der Sicherheitsansatz Im 21. Jahrhundert
- Das Bündnis ist einem breit angelegten sicherheitspolitischen Ansatz verpflichtet, der die Bedeutung politischer, wirtschaftlicher, sozialer und umweltpolitischer Faktoren neben der unverzichtbaren Verteidigungsdimension anerkennt. Dieser breite Ansatz bildet für das Bündnis die Grundlage für die wirksame Erfüllung seiner grundlegenden Sicherheitsaufgaben sowie für die Verstärkung seiner Bemühungen um die Entwicklung einer wirksamen Zusammenarbeit mit anderen europäischen und euro-atlantischen Organisationen sowie den Vereinten Nationen. Unser gemeinsames Ziel ist es, eine europäische Sicherheitsarchitektur aufzubauen, in deren Rahmen der Beitrag des Bündnisses zu Sicherheit und Stabili-tät des euro-atlantischen Raums und der Beitrag dieser anderen internationalen Organisa-tionen einander ergänzen und gegenseitig verstärken, sowohl bei der Vertiefung der Be-ziehungen zwischen den euro-atlantischen Staaten und bei der Bewältigung von Krisen. Die NATO bleibt das wesentliche Forum für Konsultationen unter den Verbündeten und für die Vereinbarung von politischen Maßnahmen, die sich auf die Sicherheits- und Ver-teidigungsverpflichtungen ihrer Mitgliedstaaten nach dem Washingtoner Vertrag auswirken.
- Das Bündnis strebt nach Bewahrung des Friedens und Stärkung der euro-atlanti-schen Sicherheit und Stabilität durch die Erhaltung der transatlantischen Bindung, durch die Auf-rechterhaltung wirksamer militärischer Fähigkeiten, die für die Abschreckung und Vertei-digung und die Erfüllung des ganzen Spektrums seiner Aufgaben ausreichend sind, durch die Herausbildung der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungsidentität innerhalb des Bündnisses, durch eine umfassende Fähigkeit, Krisen erfolgreich zu bewältigen, durch seine fortdauernde Offenheit für neue Mitglieder und die Fortsetzung von Partnerschaft, Zusammenarbeit und Dialog mit anderen Staaten als Teil seines kooperativen Ansatzes in der euro-atlantischen Sicherheit, einschließlich im Bereich der Rüstungskontrolle und Abrüstung.
Die Transatlantische Bindung
- Die NATO bekennt sich zu einer starken und dynamischen Partnerschaft zwischen Europa und Nordamerika zur Unterstützung der Werte und Interessen, die sie miteinander teilen. Die Sicherheit Europas und diejenige Nordamerikas sind unteilbar. Daher sind das Be-kenntnis zur unverzichtbaren transatlantischen Bindung und zur kollektiven Verteidigung der Mitglieder des Bündnisses von grundlegender Bedeutung für seine Glaubwürdigkeit und für die Sicherheit und Stabilität des euro-atlantischen Raums.
Die Aufrechterhaltung Der Militärischen Fähigkeiten Des Bündnisses
- Die Aufrechterhaltung einer angemessenen militärischen Fähigkeit und die eindeutige Bereitschaft, gemeinsam zur kollektiver Verteidigung zu handeln, haben für die sicherheits-politischen Ziele der Allianz weiterhin zentrale Bedeutung. Eine derartige Fähigkeit ist zu-sammen mit politischer Solidarität unverändert eine Schlüsselvoraussetzung für die Fähig-keit des Bündnisses, jeglichen Versuch von Zwang oder Einschüchterung zu verhindern und zu gewährleisten, daß ein militärischer Angriff gegen das Bündnis niemals als eine auch nur im geringsten erfolgversprechende Option in Betracht gezogen werden kann.
- Militärische Fähigkeiten, die für das gesamte Spektrum vorhersehbarer Umstände wirksam sind, stellen auch die Grundlage für die Fähigkeit des Bündnisses dar, durch nicht unter Artikel 5 fallende Krisenreaktionseinsätze zur Konfliktverhütung und Krisenbewältigung beizutragen. Diese Einsätze können höchste Anforderungen stellen und in hohem Maße von den gleichen politischen und militärischen Qualitäten wie Zusammenhalt, multinatio-nale Ausbildung und umfassende vorherige Planung abhängen, die auch in einer unter Artikel 5 fallenden Lage von ausschlaggebender Bedeutung wären. Daher werden sie, auch wenn sie besondere Anforderungen stellen können, mit Hilfe eines gemeinsamen Instrumen-tariums an Strukturen und Verfahren des Bündnisses gehandhabt werden.
Die Europäische Sicherheits- Und Verteidigungsidentität
- Das Bündnis, das die Grundlage der kollektiven Verteidigung seiner Mitglieder bildet und durch welches gemeinsame sicherheitspolitische Ziele verfolgt werden, wo immer dies möglich ist, bekennt sich unverändert zu einer ausgewogenen und dynamischen transatlan-tischen Partnerschaft. Die europäischen Verbündeten haben Beschlüsse gefaßt, die sie in die Lage versetzen sollen, im sicherheits- und verteidigungspolitischen Bereich mehr Ver-antwortung zu übernehmen, um Frieden und Stabilität des euro-atlantischen Raums und damit die Sicherheit aller Verbündeten zu verbessern. Auf der Grundlage der vom Bündnis in Berlin 1996 und danach gefaßten Beschlüsse wird die Entwicklung der europäischen Sicherheits- und Verteidigungsidentität innerhalb der NATO fortgesetzt. Dieser Prozeß wird eine enge Zusammenarbeit zwischen der NATO, der WEU und, falls und soweit angebracht, der Europäischen Union, erfordern. Sie wird es allen europäischen Verbündeten ermöglichen, einen kohärenteren und wirksameren Beitrag zu den Aufgaben und Aktivitäten des Bündnisses als Ausdruck unserer gemeinsamen Verantwortlichkeiten zu leisten, sie wird die transatlantische Partnerschaft verstärken und den europäischen Verbündeten dabei helfen, erforderlichenfalls eigenständig zu handeln durch die Bereitschaft des Bünd-nisses, von Fall zu Fall und im Konsens seine Mittel und Fähigkeiten für Operationen, in denen das Bündnis nicht militärisch engagiert ist, unter der politischen Kontrolle und stra-tegischen Leitung entweder der WEU oder wie anderweitig vereinbart zur Verfügung zu stellen, und zwar unter Berücksichtigung der vollen Beteiligung aller europäischen Ver-bündeten, falls diese dies wünschen.
Konfliktverhütung Und Krisenbewältigung
- Im Zuge ihrer Politik der Friedenserhaltung, der Kriegsverhütung und der Stärkung von Sicherheit und Stabilität und wie in den grundlegenden Sicherheitsaufgaben dargelegt, wird die NATO in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen darum bemüht sein, Kon-flikte zu verhüten oder, sollte eine Krise auftreten, in Übereinstimmung mit dem Völker-recht zu deren wirksamer Bewältigung beitragen, einschließlich durch die Möglichkeit der Durchführung von nicht unter Artikel 5 fallenden Krisenreaktionseinsätzen. Die Bereit-schaft des Bündnisses, solche Einsätze durchzuführen, unterstützt das übergeordnete Ziel der Stärkung und Erweiterung von Stabilität und beinhaltet oft die Beteiligung der Partner der NATO. Die NATO erinnert an ihr 1994 in Brüssel gemachtes Angebot, von Fall zu Fall in Übereinstimmung mit ihren eigenen Verfahren friedenswahrende und andere Ope-rationen unter der Autorität des VN-Sicherheitsrats oder der Verantwortung der OSZE zu unterstützen, unter anderem auch durch die Bereitstellung von Ressourcen und Fachwis-sen der Allianz. In diesem Zusammenhang erinnert das Bündnis an seine späteren Beschlüsse in bezug auf Krisenreaktionseinsätze auf dem Balkan. Unter Berücksichtigung der Notwendigkeit von Bündnissolidarität und -zusammenhalt bleibt die Beteiligung an einer solchen Operation oder einem solchen Einsatz den Beschlüssen der Mitgliedstaaten im Einklang mit ihren jeweiligen Verfassungen vorbehalten.
- Die NATO wird von Partnerschaft, Zusammenarbeit und Dialog sowie von ihren Bezie-hungen zu anderen Organisationen vollen Gebrauch machen, um zur Verhinderung von Krisen und, sollten diese dennoch entstehen, zu ihrer Entschärfung in einem frühen Zeit-punkt beizutragen. Ein kohärenter Ansatz zur Krisenbewältigung wird, wie bei jeder Gewaltanwendung durch das Bündnis, die Auswahl und Koordinierung geeigneter Reak-tionen durch die politischen Stellen des Bündnisses aus einem Spektrum sowohl politischer als auch militärischer Maßnahmen und deren genaue politische Kontrolle in jedem Stadium erforderlich machen.
Partnerschaft, Zusammenarbeit Und Dialog
- Durch sein aktives Streben nach Partnerschaft, Zusammenarbeit und Dialog stellt das Bündnis eine positive Kraft bei der Förderung von Sicherheit und Stabilität überall im euro-atlantischen Raum dar. Durch das Zugehen auf andere und durch Offenheit bemüht sich das Bündnis, den Frieden zu erhalten, Demokratie zu unterstützen und zu fördern, zu Wohlstand und Fortschritt beizutragen und eine echte Partnerschaft mit und unter allen demokratischen euro-atlantischen Staaten zu pflegen. Dies zielt auf eine Erhöhung der Sicherheit für alle ab, schließt niemanden aus und trägt dazu bei, Spaltungen und Meinungsverschiedenheiten zu überwinden, die zu Instabilität und Konflikten führen könnten.
- Der Euro-Atlantische Partnerschaftsrat (EAPR) bleibt der übergeordnete Rahmen für alle Aspekte der Zusammenarbeit der NATO mit ihren Partnern. Er bietet eine erweiterte poli-tische Dimension sowohl für Konsultation als auch für Zusammenarbeit. EAPR-Konsulta-tionen schaffen mehr Transparenz und Vertrauen zwischen ihren Mitgliedern in Sicher-heitsfragen, tragen zu Konfliktverhütung und Krisenbewältigung bei und entwickeln praktische kooperative Aktivitäten, auch auf dem Gebiet der Zivilschutzplanung und bei Wissenschafts- und Umweltfragen.
- Die Partnerschaft für den Frieden (PfP) ist der Hauptmechanismus für den Aufbau prakti-scher Sicherheitsbeziehungen zwischen der Allianz und ihren Partnern sowie für die Ver-besserung der Interoperabilität zwischen den Partnern und der NATO. Durch detaillierte Programme, die die Fähigkeiten und Interessen der individuellen Partner widerspiegeln, arbeiten die Verbündeten und die Partner auf Transparenz in der nationalen Verteidi-gungsplanung und in den nationalen Verteidigungshaushalten, auf die demokratische Kontrolle der Streitkräfte, auf die Vorbereitung auf zivile Katastrophen und andere Not-lagen und die Herausbildung der Fähigkeit zum Zusammenwirken hin, auch bei NATO-geführten PfP-Operationen. Das Bündnis bekennt sich zur Stärkung der Rolle der Partner in den Entscheidungs- und Planungsprozessen der PfP und bei der stärkeren Operatio-nalisierung der PfP. Die NATO hat sich verpflichtet, mit jedem aktiven Teilnehmer an der Partnerschaft Konsultationen zu führen, falls dieser Partner eine direkte Bedrohung seiner territorialen Unversehrtheit, politischen Unabhängigkeit oder Sicherheit sieht.
- Rußland spielt eine einzigartige Rolle in der euro-atlantischen Sicherheit. Im Rahmen der NATO-Rußland-Grundakte über gegenseitige Beziehungen, Zusammenarbeit und Sicher-heit haben sich die NATO und Rußland verpflichtet, ihre Beziehungen auf der Grundlage gemeinsamen Interesses, der Gegenseitigkeit und der Transparenz auszubauen, um einen dauerhaften und alle einschließenden Frieden im euro-atlantischen Raum zu erreichen, gestützt auf die Prinzipien der Demokratie und der kooperativen Sicherheit. Die NATO und Rußland haben vereinbart, ihr gemeinsames Bekenntnis zum Aufbau eines stabilen, friedlichen und ungeteilten Europas mit Leben zu erfüllen. Eine starke, stabile und dauer-hafte Partnerschaft zwischen der NATO und Rußland ist von wesentlicher Bedeutung für die Schaffung anhaltender Stabilität im euro-atlantischen Raum.
- Die Ukraine nimmt einen besonderen Platz im euro-atlantischen Sicherheitsumfeld ein und ist bei der Förderung von Stabilität und gemeinsamen demokratischen Werten ein wichti-ger und wertvoller Partner. Die NATO bekennt sich zur weiteren Stärkung ihrer aus-geprägten Partnerschaft mit der Ukraine auf der Grundlage der Charta zwischen der NATO und der Ukraine, darunter durch politische Konsultationen über Fragen, die beide betreffen, und ein breites Spektrum von Maßnahmen der praktischen Zusammenarbeit. Das Bündnis unterstützt auch weiterhin die Souveränität und Unabhängigkeit, territoriale Unversehrtheit, demokratische Entwicklung und wirtschaftliche Prosperität sowie den Status dieses Landes als Nichtkernwaffenstaat als Schlüsselfaktoren der Stabilität und Sicherheit in Mittel- und Osteuropa und in Europa insgesamt.
- Die Mittelmeerregion ist ein Raum von besonderem Interesse für das Bündnis. Die Sicher-heit in Europa ist mit der Sicherheit und Stabilität im Mittelmeerraum eng verknüpft. Der Mittelmeerdialog-Prozeß der NATO ist integraler Bestandteil des kooperativen Sicher-heitsansatzes der NATO. Er schafft einen Rahmen für Vertrauens-bildung, fördert Trans-parenz und Zusammenarbeit in der Region, stärkt und wird seinerseits gestärkt durch andere internationale Bemühungen. Das Bündnis bekennt sich zur stetigen Weiterentwick-lung der politischen, zivilen und militärischen Aspekte des Dialogs mit dem Ziel, eine engere Zusammenarbeit und aktivere Einbeziehung der Staaten zu erreichen, die Partner in diesem Dialog sind.
Erweiterung
- Das Bündnis bleibt nach Artikel 10 des Washingtoner Vertrags für neue Mitglieder offen. Es erwartet, daß es in den kommenden Jahren weitere Einladungen an Staaten aus-sprechen wird, die willens und fähig sind, die Verantwortlichkeiten und Pflichten der Mitgliedschaft zu übernehmen, insofern die NATO feststellt, daß die Aufnahme dieser Staaten den allgemeinen politischen und strategischen Interessen des Bündnisses dienen, seine Wirksamkeit und seinen Zusammenhalt stärken und die europäische Sicherheit und Stabilität insgesamt verbessern würde. Zu diesem Zweck hat die NATO im Rahmen ihrer allgemeinen Beziehungen zu den beitrittswilligen Staaten ein Aktivitätenprogramm ent-wickelt, das diesen Ländern bei ihren Vorbereitungen auf eine mögliche künftige Mitglied-schaft helfen soll. Kein europäischer demokratischer Staat, dessen Aufnahme die Ziele des Vertrags erfüllen würde, wird von dieser Erwägung ausgeschlossen.
Rüstungskontrolle, Abrüstung Und Nichtverbreitung
- Die auf die Unterstützung der Rüstungskontrolle, Abrüstung und Nichtverbreitung gerich-tete Politik des Bündnisses wird auch weiterhin eine wichtige Rolle bei der Verwirklichung der sicherheitspolitischen Ziele der Allianz spielen. Die Bündnispartner streben nach der Verbesserung von Sicherheit und Stabilität auf dem geringstmöglichen Streitkräfteniveau, das mit der Fähigkeit des Bündnisses zur Gewährleistung der kollektiven Verteidigung und zur Erfüllung der ganzen Bandbreite seiner Aufgaben vereinbar ist. Das Bündnis wird auch weiterhin sicherstellen, daß - als wichtiger Teil seines breit angelegten sicherheitspoliti-schen Ansatzes - Verteidigung mit den Zielen der Rüstungskontrolle, Abrüstung und Nichtverbreitung im Einklang bleibt. Das Bündnis wird auch weiterhin aktiv zur Fortentwicklung von Rüstungskontroll-, Abrüstungs- und Nichtverbreitungs-übereinkommen sowie zu ver-trauens- und sicherheitsbildenden Maßnahmen beitragen. Die Bündnispartner nehmen ihre besondere Rolle bei der Förderung eines breiter angelegten, umfassenderen und besser verifizierbaren internationalen Rüstungskontroll- und Abrüstungsprozesses ernst. Das Bündnis wird seine politischen Bemühungen um die Verringerung von Gefahren, die sich aus der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und ihrer Trägermittel ergeben, verstärken. Das wichtigste nichtverbreitungspolitische Ziel des Bündnisses und seiner Mitglieder besteht darin, die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen zu verhindern, oder, sollte sie dennoch stattfinden, durch diplomatische Mittel rückgängig zu machen. Das Bündnis mißt der fortdauernden Geltung und der vollständigen Umsetzung des KSE-Vertrags durch alle Vertragsstaaten als wesentliches Element der Gewährleistung der Stabilität des euro-atlantischen Raums große Bedeutung bei.
Teil IV - Streitkräfterichtlinien
Grundsätze Der Bündnisstrategie
- Das Bündnis wird die zur Verwirklichung der ganzen Bandbreite von NATO-Aufgaben erforderlichen militärischen Fähigkeiten aufrechterhalten. Die Grundsätze der Solidarität und strategischen Einheit innerhalb des Bündnisses bleiben von überragender Bedeutung für alle Bündnisaufgaben. Die Streitkräfte der Allianz müssen die militärische Wirksamkeit und Handlungsfähigkeit des Bündnisses wahren. Die Sicherheit aller Bündnispartner ist unteilbar: Ein Angriff gegen einen ist ein Angriff gegen alle. In bezug auf die kollektive Verteidigung nach Artikel 5 des Washingtoner Vertrags müssen die verbundenen Streit-kräfte der Allianz in der Lage sein, jede potentielle Aggression abzuschrecken, den Vor-marsch eines Angreifers möglichst weit vorne aufzuhalten, sollte ein Angriff dennoch vor-getragen werden, und die politische Unabhängigkeit und territoriale Unversehrtheit ihrer Mitgliedstaaten sicherzustellen. Sie müssen auch bereit sein, einen Beitrag zur Konflikt-verhütung zu leisten und nicht unter Artikel 5 fallende Krisenreaktionseinsätze durchzu-führen. Die Streitkräfte des Bündnisses erfüllen eine wesentliche Rolle bei der Förderung der Zusammenarbeit und der Verständigung mit den Partnern der NATO und anderen Staaten, insbesondere bei der Unterstützung der Partner, in deren Vorbereitung auf eine mögliche Beteiligung an NATO-geführten PfP-Operationen. Sie tragen so zur Erhaltung des Friedens, zur Wahrung der gemeinsamen Sicherheitsinteressen der Bündnismitglieder und zur Erhaltung der Sicherheit und Stabilität des euro-atlantischen Raums bei. Durch die Abschreckung des Einsatzes von ABC-Waffen tragen sie zu den Bemühungen des Bünd-nisses um die Verhinderung der Verbreitung dieser Waffen und ihrer Trägermittel bei.
- Die Verwirklichung der Bündnisziele steht und fällt mit einer fairen Teilung der Aufgaben, Risiken und Verantwortlichkeiten wie auch der Vorteile gemeinsamer Verteidigung. Die Präsenz konventioneller und nuklearer Streitkräfte der Vereinigten Staaten in Europa bleibt lebenswichtig für die Sicherheit Europas, die untrennbar mit der Sicherheit Nord-amerikas verbunden ist. Die nordamerikanischen Verbündeten leisten einen Beitrag zur Allianz durch Streitkräfte, die für Bündniseinsätze zur Verfügung stehen, durch ihren Bei-trag zum Weltfrieden und zur internationalen Sicherheit insgesamt und durch die Bereit-stellung einzigartiger Ausbildungseinrichtungen auf dem nordamerikanischen Kontinent. Die europäischen Verbündeten leisten ebenfalls weitreichende und substantielle Beiträge. Wäh-rend der Prozeß der Entwicklung der ESVI innerhalb des Bündnisses voranschreitet, wer-den die europäischen Mitglieder der Allianz ihren Beitrag zur gemeinsamen Verteidigung sowie zum Weltfrieden und zur internationalen Stabilität auch durch multinationale Ver-bände weiter verbessern.
- Das Prinzip der kollektiven Bündnisverteidigung drückt sich in praktischen Vorkehrungen aus, die es den Bündnispartnern gestatten, die wesentlichen politischen, militärischen und materiellen Vorteile kollektiver Verteidigung zu nutzen und die Renationalisierung der Verteidigungspolitiken zu verhindern, ohne dabei die Bündnispartner ihrer Souveränität zu berauben. Diese Vorkehrungen ermöglichen es den NATO-Streitkräften ferner, nicht unter Artikel 5 fallende Krisenreaktionseinsätze durchzuführen, und stellen eine Voraussetzung für eine kohärente Reaktion des Bündnisses auf alle möglichen Eventualfälle dar. Sie stüt-zen sich auf Konsultationsverfahren, eine integrierte militärische Struktur sowie auf Kooperationsvereinbarungen. Zu ihren Hauptmerkmalen gehören gemeinsame Streitkräf-teplanung, gemeinsame Finanzierung, gemeinsame Einsatzplanung, multinationale Ver-bände, Vorkehrungen für Hauptquartiere und Führung, ein integriertes Luftverteidigungssystem, Ausgewogenheit der Rollen und Verantwortlichkeiten unter den Verbündeten, die Statio-nierung und Verlegung von Streitkräften außerhalb des eigenen Hoheitsgebiets, soweit erforderlich, Vor-kehrungen auch planerischer Art für die Krisenbewältigung und Verstärkungen, einheit-liche Standards und Verfahren für Material, Ausbildung und Logistik, gemeinsame und verbundene Einsatzgrundsätze und Übungen, soweit angebracht, sowie Zusammenarbeit bei Infrastruktur, Rüstung und Logistik. Die Einbeziehung der Partner der NATO in solche Vorkehrungen oder die Ausarbeitung ähnlicher Vorkehrungen für die Partner in geeigne-ten Bereichen ist ebenfalls von wesentlicher Bedeutung für die Verbesserung der Zusam-menarbeit und der gemeinsamen Anstrengungen in euro-atlantischen Sicherheitsfragen.
- Multinationale Finanzierung, auch durch den Militärhaushalt und das Sicherheitsinvesti-tionsprogramm der NATO, wird weiterhin eine wichtige Rolle bei der Anschaffung und Beibehaltung der erforderlichen Mittel und Fähigkeiten spielen. Die Ressourcenbewirt-schaftung sollte sich am jeweiligen Entwicklungsstand der militärischen Erfordernisse des Bündnisses orientieren.
- Das Bündnis unterstützt die Weiterentwicklung der ESVI innerhalb der Allianz, indem es unter anderem bereit ist, Mittel und Fähigkeiten für Operationen unter der politischen Kontrolle und strategischen Leitung entweder der WEU oder wie anderweitig vereinbart zur Verfügung zu stellen.
- Um den Frieden zu wahren und einen Krieg und auch jegliche Form von Zwang zu ver-hindern, wird das Bündnis für die vorhersehbare Zukunft eine geeignete Zusammensetzung nuklearer und konventioneller Streitkräfte beibehalten, die in Europa stationiert sind und auf dem gebotenen Stand gehalten werden, wo dies erforderlich ist, wenngleich auf dem geringstmöglichen ausreichenden Niveau. Angesichts der Vielfalt der Risiken, denen sich das Bündnis gegenübersehen könnte, muß es die Streitkräfte beibehalten, die zur Gewähr-leistung einer glaubwürdigen Abschreckung erforderlich sind und ein breites Spektrum konventioneller Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung stellen. Aber die konventionellen Streitkräfte des Bündnisses allein können eine glaubwürdige Abschreckung nicht gewährleisten. Einzig Nuklearwaffen machen die Risiken jeglicher Aggression unkalkulierbar und unannehmbar. Sie sind daher nach wie vor von entscheidender Bedeutung für die Wahrung des Friedens.
Das Streitkräftedispositiv Des Bündnisses
Die Aufgaben der Streitkräfte des Bündnisses
- Die Hauptaufgabe der Streitkräfte des Bündnisses ist es, den Frieden zu wahren und die territoriale Unversehrtheit, politische Unabhängigkeit und Sicherheit der Mitgliedstaaten zu garantieren. Daher müssen die Streitkräfte der Bündnispartner in der Lage sein, wirk-sam abzuschrecken und zu verteidigen, die territoriale Unversehrtheit der Staaten des Bündnisses zu wahren oder wiederherzustellen und - im Fall eines Konflikts - einen Krieg schnell zu beenden, indem sie den Aggressor dazu veranlassen, seine Entscheidung zu überdenken, seinen Angriff einzustellen und sich zurückzuziehen. Die NATO-Streitkräfte müssen auch weiterhin fähig sein, die kollektive Verteidigung zu gewährleisten und gleichzeitig wirksame Krisenreaktionseinsätze, die nicht unter Artikel 5 fallen, durchzuführen.
- Die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Stabilität des euro-atlantischen Raums ist von zentraler Bedeutung. Ein wichtiges Ziel des Bündnisses und seiner Streitkräfte ist es, Risi-ken dadurch auf Distanz zu halten, daß potentiellen Krisen in einem frühen Stadium begeg-net wird. Im Fall von Krisen, die die euro-atlantische Stabilität gefährden und die Sicher-heit von Bündnismitgliedern berühren könnten, können die Streitkräfte des Bündnisses aufgerufen sein, Krisenreaktionseinsätze durchzuführen. Sie können ferner aufgerufen sein, zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit beizutragen, indem sie Operationen zur Unterstützung anderer internationaler Organisationen durchführen, die politische Maßnahmen innerhalb eines breiten sicherheitspolitischen Ansatzes ergänzen und verstärken.
- Indem sie ihren Beitrag zur Bewältigung von Krisen durch militärische Einsätze leisten, werden sich die Streitkräfte des Bündnisses mit einem komplexen und vielfältigen Spek-trum von Akteuren, Risiken, Situationen und Anforderungen auseinanderzusetzen haben, darunter auch humanitäre Notfälle. Einige Krisenreaktionseinsätze, die nicht unter Arti-kel 5 fallen, können einen ebenso hohe Anforderungen stellen wie einige kollektive Verteidi-gungsaufgaben. Gut ausgebildete und ausgerüstete Streitkräfte mit einem angemessenen Bereitschaftsgrad und in ausreichender Stärke, um der gesamten Bandbreite von Krisenfäl-len begegnen zu können, sowie geeignete Unterstützungsstrukturen, Planungsinstrumente und Führungsfähigkeiten sind wesentliche Voraussetzungen für effi-ziente militärische Beiträge. Das Bündnis sollte auch bereit sein, auf der Grundlage trenn-barer, aber nicht getrennter Fähigkeiten Operationen unter der politischen Kontrolle und strategischen Leitung der WEU oder wie anderweitig vereinbart zu unterstützen. Die potentielle Teilnahme von Partnern und anderen Nicht-NATO-Staaten an NATO-geführ-ten Operationen sowie mögliche Operationen mit Rußland wären weitere wertvolle Ele-mente eines Beitrags der NATO zur Bewältigung von Krisen, die die euro-atlantische Sicherheit berühren.
- Die Streitkräfte des Bündnisses tragen auch zur Förderung von Stabilität überall im euro-atlantischen Raum bei, indem sie sich an Kontakten zwischen Militärs und an anderen ko-operativen Aktivitäten und Übungen im Rahmen der Partnerschaft für den Frieden sowie an denjenigen Aktivitäten beteiligen, die zur Vertiefung der Beziehungen der NATO zu Rußland, der Ukraine und den Staaten des Mittelmeerdialogs organisiert werden. Sie tra-gen zur Stabilität und Verständigung bei, indem sie an vertrauensbildenden Aktivitäten einschließlich solchen, die die Transparenz erhöhen und die Kommunikation verbessern, sowie an der Verifikation von Rüstungskontrollübereinkünften und an humanitären Minen-räummaßnahmen teilnehmen. Schlüsselbereiche der Konsultation und Kooperation könn-ten unter anderem sein: Ausbildung und Übungen, Interoperabilität, Beziehungen zwischen zivilem und militärischem Bereich, Entwicklung von Konzepten und Einsatzgrundsätzen, Verteidigungsplanung, Krisenbewältigung, Fragen der Nichtverbreitung, Rüstungszusammenarbeit sowie Teilnahme an Einsatzplanungen und Operationen.
Richtlinien für das Streitkräftedispositiv des Bündnisses
- Um die grundlegenden Sicherheitsaufgaben des Bündnisses und die Prinzipien seiner Strategie umsetzen zu können, müssen die Streitkräfte der Allianz auch weiterhin so ange-paßt werden, daß sie die Anforderungen des gesamten Spektrums der Bündnisaufgaben wirksam erfüllen und auf künftige Herausforderungen reagieren können. Das Dispositiv der Bündnisstreitkräfte wird, aufbauend auf den Stärken der unterschiedlichen nationalen Verteidigungsstrukturen, den nachfolgend dargelegten Richtlinien entsprechen.
- Umfang, Bereitschaftsgrad, Verfügbarkeit und Dislozierung der Streitkräfte des Bündnis-ses werden sein Bekenntnis zur kollektiven Verteidigung und zur Durchführung von Krisenreaktionseinsätzen widerspiegeln. Dies kann manchmal kurzfristig, weit vom Hei-matstandort und auch jenseits des Bündnisgebiets erfolgen. Die Merkmale der Bünd-nisstreitkräfte werden auch die Bestimmungen einschlägiger Rüstungskontrollübereinkünf-te widerspiegeln. Die Bündnisstreitkräfte müssen über eine Stärke und über Kapazitäten verfügen, die geeignet sind, um Angriffe gegen jeden Verbündeten abzuschrecken und abzuwehren. Sie müssen interoperabel sein und über geeignete Einsatzgrundsätze und Technolo-gien verfügen. Sie müssen auf dem erforderlichen Grad der Bereitschaft und Verlegefähigkeit gehalten werden und in einem breiten Spektrum komplexer gemeinsamer und verbun-dener Operationen, die auch die Partner und andere Nicht-NATO-Staaten einbeziehen können, militärisch erfolgreich sein können.
- Dies bedeutet insbesondere:
- Der Gesamtumfang der Streitkräfte des Bündnisses wird auf dem niedrigsten Niveau gehalten, das mit den Erfordernissen der kollektiven Verteidigung und anderer Bündnisaufgaben verein-bar ist; sie werden auf einem angemessenen und abgestuften Bereitschaftsgrad gehalten.
- Die geographische Verteilung der Streitkräfte im Frieden wird eine ausreichende militäri-sche Präsenz überall im Bündnisgebiet gewährleisten, einschließlich der Stationierung und Dislozierung von Streitkräften außerhalb ihrer eigenen Hoheitsgebiete und Gewässer so-wie der Vornedislozierung von Streitkräften, wann und wo dies erforderlich ist. Regionale und insbesondere geostrategische Überlegungen innerhalb des Bündnisses werden dabei in Rechnung gestellt werden müssen, da Instabilitäten an der Peripherie der NATO zu Krisen oder Konflikten führen könnten, die eine militärische Reaktion des Bündnisses, mögli-cherweise mit kurzen Vorwarnzeiten, erforderlich machen.
- Die Kommandostruktur der NATO wird in der Lage sein, das ganze Spektrum von militä-rischen Einsätzen des Bündnisses zu führen, auch durch den Einsatz verlegefähiger, verbundener und gemeinsamer Hauptquartiere, insbesondere CJTF-Hauptquartiere, zur Füh-rung multinationaler und teilstreitkraftübergreifender Truppen. Sie wird ferner in der Lage sein, Operationen unter der politischen Kontrolle und strategischen Leitung der WEU oder wie anderweitig vereinbart zu unterstützen und so zur Herausbil-dung der ESVI innerhalb des Bündnisses beizutragen, sowie nicht unter Artikel 5 fallende, NATO-geführte Krisenreaktionseinsätze durchzuführen, an denen die Partner und andere Länder teilnehmen können.
- Insgesamt wird das Bündnis sowohl kurz- als auch langfristig und für das gesamte Spek-trum seiner Aufgaben wesentliche operative Fähigkeiten benötigen, wie z.B. die Wirk-samkeit im Einsatz, Verlegefähigkeit und Mobilität, Überlebensfä-higkeit von Streitkräften und Infrastruktur, Durchhaltefähigkeit unter Einbeziehung von Logistik und Streitkräfterotation. Um das ganze Potential dieser Fähigkeiten für multina-tionale Operationen nutzbar zu machen, sind Interoperabilität einschließlich menschlicher Faktoren, der Einsatz geeigneter Hochtechnologie, die Aufrechterhaltung der Informationsüberlegen-heit bei militärischen Operationen sowie hoch-qualifiziertes Personal mit einem breiten Spektrum an Fähigkeiten erforderlich. Ausrei-chende Kapazitäten in den Bereichen Führung und Kommunikation, Aufklärung, und Nach-richtengewinnung und Überwachung werden als notwendige Streitkräftemultiplikatoren dienen.
- Ein begrenzter, aber militärisch bedeutsamer Teil der Land-, Luft- und Seestreitkräfte wird jederzeit in der Lage sein, so rasch wie nötig auf ein breites Spektrum von Eventualfällen, darunter auch einen kurzfristigen Angriff auf einen Bündnispartner zu reagieren. Streit-kräfteelemente in größerer Zahl werden in geeigneten Bereitschaftsgraden zur Verfügung stehen, um längere Operationen durchzuhalten, entweder innerhalb oder außerhalb des Bündnisgebiets, auch durch die Rotation dislozierter Streitkräfte. Zusammengefaßt müssen diese Streitkräfte auch hinsichtlich Qualität, Quantität und Bereitschaftsgrad ausreichend sein, um zur Abschreckung und Verteidigung gegen begrenzte Angriffe auf das Bündnis beizutragen.
- Das Bündnis muß in der Lage sein, größere Streitkräfte aufwachsen zu lassen, durch Verstärkung, Mobilmachung von Reserven oder, soweit erforderlich, Aufbau zusätzlicher Truppenverbände, sowohl als Reaktion auf etwaige grundlegende Veränderungen des Sicherheitsumfelds als auch für begrenzte Erfordernisse. Diese Fähigkeit muß im Verhältnis zu potentiellen Bedrohungen der Bündnissicherheit einschließlich möglicher langfristiger Entwicklungen stehen. Sie muß die Möglichkeit substantieller Verbesserungen des Bereit-schaftsgrads und der Fähigkeiten von Streitkräften an der Peripherie des Bündnisses in Betracht ziehen. Fähigkeiten zur rechtzeitigen Verstärkung und Anschlußversorgung sowohl innerhalb Europas und Nordamerikas als auch aus Europa und Nordamerika blei-ben von ausschlaggebender Bedeutung, woraus sich die Notwendigkeit eines hohen Grades von Verlegefähigkeit, Mobilität und Flexibilität ergibt.
- Geeignete Streitkräftestrukturen und Verfahren, darunter solche, die es ermöglichen wür-den, Streitkräfte schnell und selektiv aufwachsen zu lassen, zu verlegen und solche Maßnah-men rückgängig zu machen, sind erforderlich, um angemessene, flexible und rechtzeitige Reaktionen mit dem Ziel zu ermöglichen, Spannungen abzubauen und zu entschärfen. Dies muß im Frieden regelmäßig geübt werden.
- Das Verteidigungsdispositiv des Bündnisses muß in der Lage sein, die mit der Verbreitung von ABC-Waffen und ihren Trägermitteln einhergehenden Risiken, die auch eine mögliche Bedrohung der Bevölkerung, des Hoheitsgebiets und der Streitkräfte der Verbündeten darstellen, angemessen und wirksam zu begegnen. Eine ausgewogene Mischung von Streitkräften, Reaktionsfähigkeiten und gestärkten Verteidigungsvorkehrungen ist erforder-lich.
- Die Streitkräfte und Infrastruktur des Bündnisses müssen vor terroristischen Angriffen geschützt werden.
Merkmale konventioneller Streitkräfte
- Es ist unabdingbar, daß die Streitkräfte der Bündnispartner die glaubwürdige Fähigkeit besitzen, das ganze Spektrum von Bündnisaufgaben zu erfüllen. Dieses Erfordernis hat Auswirkungen auf Streitkräftestrukturen, Streitkräfte- und Ausrüstungsumfänge, Bereit-schaftsgrad, Verfügbarkeit und Durchhaltefähigkeit, Ausbildung und Übungen, Dislozie-rungs- und Einsatzoptionen sowie auf die Aufwuchs- und Mobilmachungsfähigkeiten. Ziel sollte es sein, eine optimale Balance zu erreichen zwischen Streitkräften mit hohem Bereitschaftsgrad, die in der Lage sind, schnell und erforderlichenfalls auch sofort Maßnahmen der kollekti-ven Verteidigung oder nicht unter Artikel 5 fallende Krisenreaktionseinsätze zu beginnen; Streitkräften mit unterschiedlichem Bereitschaftsgrad, die das Gros der für die Verteidi-gung erforderlichen Streitkräfte, für die Rotation von Streitkräften zur nachhaltigen Durchführung von Krisenreaktionseinsätze oder für die weitere Verstärkung einer bestimmten Region bilden, und einer längerfristigen Aufwuchs- und Verstärkungsfähigkeit für den schlimmsten - wenn auch sehr unwahrscheinlichen - Fall groß angelegter Operatio-nen zur kollektiven Verteidigung. Ein substantieller Teil der Bündnisstreit-kräfte wird in der Lage sein, mehr als eine dieser Aufgaben zu erfüllen.
- Die Streitkräfte des Bündnisses werden so strukturiert sein, daß sie den multinationalen und gemeinsamen Charakter von Bündnisaufgaben widerspiegeln. Zu den wesentlichen Aufgaben gehören die Kontrolle, der Schutz und die Verteidigung von Territorium, die Gewährleistung der ungehinderten Nutzung der Verbindungslinien zur See, zu Land und in der Luft, die Kontrolle der Meere und der Schutz der Dislozierung des seegestützten Ab-schreckungspotentials des Bündnisses, die Durchführung unabhängiger und verbundener Luftoperationen, die Gewährleistung eines sicheren Luftraums und einer wirksamen erweiterten Luft-verteidigung, Überwachung, Nachrichtengewinnung, Aufklärung und elektronische Kampfführung, strategische Lufttransportkapazitäten sowie die Bereitstellung wirksamer und flexibler Führungseinrichtungen einschließlich verlegefähiger teilstreitkraftübergreifender und multinationaler Hauptquartiere.
- Das Verteidigungsdispositiv des Bündnisses gegen die Risiken und potentiellen Gefahren der Verbreitung von ABC-Waffen und ihrer Trägermittel muß weiter verbessert werden, auch durch Arbeiten an einer Flugkörperabwehr. Soweit NATO-Streitkräfte aufgerufen sind, jenseits der Grenzen der NATO zu operieren, müssen die Fähigkeiten für den Um-gang mit Proliferationsgefahren flexibel, mobil, rasch verlege- und durchhaltefähig sein. Einsatzgrundsätze, Planungsverfahren, Richtlinien für Ausbildung und Übungen müssen das Bündnis auch darauf vorbereiten, vom Einsatz von ABC-Waffen abzuschrecken und sich gegen ihn zu verteidigen. Ziel ist es, die Schwachstellen der NATO-Streitkräfte im Einsatz weiter zu reduzieren und gleichzeitig ihre Flexibilität und Wirksamkeit trotz der Präsenz von ABC-Waffen, der von ihnen ausgehenden Bedrohung oder ihres Einsatzes aufrechtzuerhalten.
- Die Bündnisstrategie beinhaltet keine Fähigkeit zur chemischen oder biologischen Krieg-führung. Die Verbündeten treten für den Beitritt aller Staaten zu den einschlägigen Abrü-stungsregimen ein. Aber selbst wenn weitere Fortschritte in Richtung auf die Ächtung chemischer und biologischer Waffen erreicht werden können, werden defensive Vor-sichtsmaßnahmen von wesentlicher Bedeutung bleiben.
- Angesichts des verringerten Streitkräfteniveaus insgesamt und begrenzter Mittel wird die Fähigkeit, eng miteinander zusammenzuarbeiten, für die Verwirklichung der Bündnisauf-gaben von vitaler Bedeutung bleiben. Die kollektiven Verteidigungs-vorkehrungen des Bündnisses, innerhalb deren für die betroffenen Mitglieder die integrierte Militärstruktur die Schlüsselrolle spielt, sind in diesem Zusammenhang von wesentlicher Bedeutung. Die verschiedenen Stränge der NATO-Verteidigungsplanung müssen auf allen Ebenen wirk-sam koordiniert werden, um die Bereitschaft der Streitkräfte und unterstützenden Struktu-ren zur Durchführung des ganzen Spektrums ihrer Aufgaben zu gewährleisten. Ein Infor-mationsaustausch unter den Verbündeten über ihre Streitkräftepläne trägt zur Gewähr-leistung der Verfügbarkeit der für die Durchführung dieser Aufgaben erforderlichen Kapazitäten bei. Konsultationen im Fall wichtiger Veränderungen in nationalen Streitkräf-teplänen sind ebenfalls weiterhin von zentraler Bedeutung. Die Zusammenarbeit bei der Entwicklung neuer Einsatzkonzepte ist für die Reaktion auf sich entwickelnde sicherheitspolitische Herausforderungen wesentlich. Die detaillierten praktischen Vorkeh-rungen, die als Teil der ESVI innerhalb des Bündnisses entwickelt worden sind, tragen zu enger Zusammenarbeit zwischen den Bündnispartnern bei, ohne daß Mittel und Fähigkei-ten unnötig dupliziert werden.
- Um auf mögliche Eventualfälle flexibel reagieren zu können und die wirksame Durchfüh-rung von Bündniseinsätzen zu ermöglichen, benötigt das Bündnis ausreichende logistische Fähigkeiten einschließlich Transportkapazitäten, medizinische Unterstützung und Vorräte, um alle Arten von Streitkräften wirksam dislozieren und einsatzfähig halten zu können. Die Standardisierung wird die Zusammenarbeit und Kostenwirksamkeit bei der Bereitstel-lung von logistischer Unterstützung für Bündnisstreitkräfte fördern. Die Einleitung und anhaltende Durchführung von Operationen außerhalb des Bündnisgebiets, wo möglicher-weise nur geringe oder überhaupt keine Unterstützung durch einen Gaststaat erfolgt, wird besondere logistische Herausforderungen mit sich bringen. Die Fähigkeit, den Umfang an hinrei-chend ausgerüsteten und ausgebildeten Streitkräften rechtzeitig und in einem Maß zu ver-größern, das es erlaubt, das ganze Spektrum der Bündnisaufgaben zu erfüllen, wird eben-falls einen wesentlichen Beitrag zur Krisenbewältigung und zur Verteidigung leisten. Dies schließt die Fähigkeit ein, in jeder gefährdeten Region zu verstärken und eine multinationale Präsenz herzustellen, wann und wo immer sie erforderlich ist. Streitkräfte verschiedener Art und in verschiedenen Bereitschaftsgraden werden im Rahmen sowohl der innereuropäischen als auch der transatlantischen Verstärkung flexibel verlegt werden können. Dies erfordert die Kontrolle der Verbindungslinien sowie angemessene Vorkeh-rungen in den Bereichen Unterstützung und Übungen.
- Das Zusammenspiel zwischen Bündnisstreitkräften und dem zivilen Umfeld (sowohl auf Regierungs- als auch Nichtregierungsebene), in welchem diese operieren, ist für den Erfolg von Operationen von entscheidender Bedeutung. Die Zusammenarbeit zwischen zivilem und militärischem Bereich beruht auf Gegenseitigkeit: Militärische Mittel werden zuneh-mend zur Unterstützung ziviler Behörden angefordert; gleichzeitig ist die zivile Unterstützung militärischer Operationen wichtig für Logistik, Kommunikation, medizinische Unterstützung und Öffentlichkeitsarbeit. Die Zusammenarbeit zwischen den militärischen und zivilen Stellen des Bündnisses wird daher von ausschlaggebender Bedeutung bleiben.
- Die Fähigkeit des Bündnisses, das ganze Spektrum seiner Aufgaben zu erfüllen, wird zunehmend von multinationalen Streitkräften in Ergänzung nationaler Kontingente für die betroffenen Verbündeten abhängen. Solche Streitkräfte, die für das gesamte Spektrum von Bündnisaufgaben einsetzbar sind, stellen die Entschlossenheit des Bündnisses unter Beweis, eine glaubwürdige kollektive Verteidigung aufrechtzuerhalten, stärken den Zu-sammenhalt des Bündnisses, festigen die transatlantische Partnerschaft und verstärken die ESVI innerhalb des Bündnisses. Multinationale Streitkräfte, insbesondere diejenigen, die rasch für die kollektive Verteidigung oder für nicht unter Artikel 5 fallende Krisenreak-tionseinsätze disloziert werden können, stärken die Solidarität. Sie können außerdem eine Möglichkeit sein, Verbände aufzustellen, die leistungsfähiger sind als die im rein nationalen Rahmen verfügbaren, und so zu einer effizienteren Nutzung der knappen Veteidigungsres-sourcen beitragen. Dies könnte einen hoch integrierten, multinationalen Ansatz zur Be-wältigung spezifischer Aufgaben und Funktionen einschließen, einen Ansatz, der der Um-setzung des CJTF-Konzepts zugrundeliegt. Für friedensunterstützende Operationen wer-den wirksame multinationale Verbände und andere Vorkehrungen, die die Partner einbe-ziehen, wertvoll sein. Um das durch multinationale Verbände geschaffene Potential voll auszuschöpfen, ist es von höchster Bedeutung, die Interoperabilität zu verbessern, unter anderem durch ausreichende Ausbildungs- und Übungsmaßnahmen.
Merkmale nuklearer Streitkräfte
- Der grundlegende Zweck der nuklearen Streitkräfte der Bündnispartner ist politischer Art: Wahrung des Friedens und Verhinderung von Zwang und jeder Art von Krieg. Nukleare Streitkräfte werden weiterhin eine wesentliche Rolle spielen, indem sie dafür sorgen, daß ein Angreifer im Ungewissen darüber bleibt, wie die Bündnispartner auf einen militärischen Angriff reagieren würden. Sie machen deutlich, daß ein Angriff jeglicher Art keine ver-nünftige Option ist. Die strategischen Nuklearstreitkräfte des Bündnisses, vor allem die-jenigen der Vereinigten Staaten, bieten die oberste Garantie für die Sicherheit der Verbün-deten; die unabhängigen Nuklearstreitkräfte des Vereinigten Königreichs und Frankreichs, die eine eigenständige Abschreckungsfunktion haben, tragen zur Abschreckung und Sicherheit der Verbündeten insgesamt bei.
- Ein glaubwürdiges nukleares Streitkräftedispositiv des Bündnisses und die Demonstration von Bündnissolidarität und gemeinsamem Bekenntnis zur Kriegsverhinderung erfordern auch in Zukunft breite Teilhabe in die kollektive Verteidigungsplanung involvierter europäischer Bündnispartner an nuklearen Aufgaben, der Stationierung von Nuklear-streitkräften auf ihrem Hoheitsgebiet im Frieden und an Führungs-, Überwachungs- und Konsultationsvorkehrungen. In Europa stationierte und der NATO unterstellte Nuklear-streitkräfte stellen ein wesentliches politisches und militärisches Bindeglied zwischen den europäischen und den nordamerikanischen Mitgliedstaaten des Bündnisses dar. Das Bündnis wird daher angemessene nukleare Streitkräfte in Europa beibehalten. Diese Streitkräfte müssen die erforderlichen Merkmale und angemessene Flexibilität und Über-lebensfähigkeit besitzen, damit sie als glaubwürdiges und effektives Element der Strategie der Bündnispartner zur Kriegsverhinderung verstanden werden. Sie werden auf dem Min-destniveau gehalten werden, das zur Wahrung von Frieden und Stabilität ausreicht.
- Die betroffenen Bündnispartner sind der Auffassung, daß sich angesichts der radikal ver-änderten Sicherheitslage, wozu auch ein verringertes Niveau konventioneller Streitkräfte in Europa und eine Verlängerung der Reaktionszeiten gehört, die Fähigkeit der NATO, eine Krise mit diplomatischen und anderen Mitteln zu entschärfen oder, sollte dies not-wendig werden, sich auf erfolgreiche konventionelle Verteidigung einzurichten, wesentlich verbessert hat. Umstände, unter denen ein Einsatz von Nuklearwaffen von ihnen in Betracht zu ziehen wäre, rücken daher äußerste Ferne. Seit 1991 haben die Verbünde-ten daher eine Reihe von Schritten unternommen, die das Sicherheitsumfeld nach dem Kalten Krieg widerspiegeln. Dazu gehören eine dramatische Verringerung der substrategi-schen Streitkräfte der NATO nach Typ und Zahl einschließlich der Beseitigung aller nuklearen Artillerie und bodengestützten nuklearen Kurzstreckenflugkörper, eine wesent-liche Lockerung der Kriterien für den Bereitschaftsgrad von Streitkräften mit nuklearen Aufgaben sowie die Beendigung der ständigen nuklearen Eventualfallpläne im Frieden. Die Nuklearstreitkräfte der NATO zielen nicht länger auf irgendein Land. Dennoch wird die NATO angemessene, in Europa stationierte substrategische Nuklearstreitkräfte auf dem niedrigsten, mit der jeweils herrschenden Sicherheitslage zu vereinbarenden Niveau beibe-halten, die ein wesentliches Bindeglied zu den strategischen Nuklearstreitkräften darstellen werden und so die transatlantische Bindung stärken. Sie bestehen aus nuklear und kon-ventionell bestückbaren Luftfahrzeugen und einer kleinen Zahl von Trident-Gefechtsköp-fen des Vereinigten Königreichs. Substrategische Nuklearwaffen werden unter normalen Umständen jedoch nicht auf Überwasserfahrzeugen und Angriffsunterseebooten disloziert.
Teil V - Zusammenfassung
- An der Schwelle zum sechsten Jahrzehnt seines Bestehens muß das Nordatlantische Bündnis bereit sein, die Herausforderungen und Chancen eines neuen Jahrhunderts anzunehmen. Das Strategische Konzept bekräftigt den fortdauernden Zweck des Bünd-nisses und legt seine grundlegenden Sicherheitsaufgaben dar. Es versetzt eine verwandelte NATO in die Lage, einen Beitrag zu dem sich entwickelnden Sicherheitsumfeld zu leisten und Sicherheit und Stabilität mit dem Gewicht ihres gemeinsamen Bekenntnisses zur Demokratie und der friedlichen Beilegung von Streitigkeiten zu unterstützen. Das Strate-gische Konzept wird die Sicherheits- und Verteidigungspolitik des Bündnisses, seine Einsatzkonzepte, seine konventionellen und nuklearen Streitkräftedispositive und seine kollektiven Verteidigungsvorkehrungen leiten und im Lichte des sich entwickelnden Sicherheitsumfelds ständig überprüft werden. In einer ungewissen Welt bleibt das Erfor-dernis wirksamer Verteidigung bestehen, aber indem das Bündnis dieses Bekenntnis bekräftigt, wird es auch weiterhin umfassenden Gebrauch von jeder Gelegenheit machen, zum Aufbau eines ungeteilten Kontinents beizutragen, indem es die Vision des einen und freien Europas befördert.